Tee ist in Japan mehr als ein Genussmittel – Tee ist ein wichtiger Teil der kulturellen Identität. Daneben wird er in Japan auch als wertvolles Heilmittel geschätzt. Die populärste Grüntee-Sorte in Japan ist der Sencha-Tee, der sich durch einen hohen Gehalt an wertvollen Catechinen auszeichnet.
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Sencha-Tee und mehr – Die Vielfalt an japanischen Teesorten
Grüntee hat in Japan eine lange Tradition. Über ein Dutzend unterschiedliche Grünteesorten sind dort erhältlich. Geerntet werden sie alle von der gleichen Pflanze, dem Teestrauch (Camellia sinensis). Die verschiedenen Sorten unterscheiden sich jedoch deutlich hinsichtlich Geschmack und Wirkstoffprofil. Das hat mit den jeweiligen Besonderheiten von Anbau oder Verarbeitung zu tun. Um zum Beispiel einen Grüntee der Sorte Gyokuro zu erhalten, werden die Teesträucher drei Wochen vor der Ernte beschattet. Sobald sie nicht mehr dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, verändern die Blätter ihre chemischen Prozesse. Sie bilden zum Beispiel mehr Koffein und mehr Theanin. Theanin ist eine Aminosäure, die für den typischen Umami-Geschmack von Grüntee verantwortlich ist und mit stresslindernden und entspannenden Effekten in Verbindung gebracht wird. [1]
Gyokuro ist ein sehr teurer Tee – eine populäre und günstigere Alternative ist Sencha-Tee, der bis zu seiner Ernte in vollem Sonnenlicht steht. Dadurch erhält er einen vergleichsweise geringeren Anteil an Koffein und Theanin, dafür deutlich mehr Catechine als Gyokuro [2]. Und die Catechine sind für die Heilwirkung von Grüntee von besonderem Interesse.
Wie wirken Catechine?
Catechine wirken unter anderem antioxidativ und entzündungshemmend. Ein besonderer Vertreter dieser Fraktion ist Epigallocatechingallat (EGCG), der zwischen 50 bis 80 % des Catechingehaltes ausmacht. Bezüglich seines Gehaltes an EGCG kann Sencha-Tee punkten, hier ist er den meisten anderen japanischen Grünteesorten überlegen [3]. EGCG scheint ersten Untersuchungen zufolge positive Auswirkungen auf unser Gehirn zu haben, indem es Nervenzellen vor oxidativen Stress schützt und die Konzentration stärkt. Leider wird es nur in geringem Ausmaß vom Darm resorbiert. Zum Glück sind wir beim Teetrinken nicht allein und haben in Form unserer Darmflora eine tatkräftige Unterstützung. Darüber hast Du vielleicht schon in meinem Beitrag „Wie Deine Darmflora die Wirkung von Heilpflanzen steigert “ gelesen.
Im Dünndarm entsteht aus EGCG durch Bakterienenzyme Gallussäure und Epigallocatechingallat, letzteres bauen die im Dickdarm lebenden Bakterien zu mindestens 10 unterschiedlichen Verbindungen ab. Diese Verbindungen gelangen ins Blut, passieren vermutlich auch die Blut-Hirn-Schranke und können damit ihre antioxidativen Wirkungen auch im Gehirn entfalten. Des Weiteren scheinen sie das Wachstum von Nervenzellen zu fördern. [4]
Grüntee in klinischen Studien
Grüntee zählt zu den am besten untersuchten pflanzlichen Heilmitteln. In den Studien kommen unterschiedliche Grüntee-Sorten zum Einsatz. Deren Ergebnisse lassen sich auf Sencha-Tee als Catechin-reiche Grünteesorte übertragen, da meist die Catechine hinter dem Wirkprinzip vermutet werden.
Mehreren Untersuchungen zufolge hemmt Grüntee das Gedeihen von kariesverursachenden Bakterien im Mund und das Entstehen von Zahnbelag. Die Wirkung ist mit der von Chlorhexidin vergleichbar. [5]
Regelmäßiger Genuss von Grüntee scheint sich auch positiv auf erhöhte Blutdruckwerte auszuwirken [6]. Die Catechine des Grüntees könnten auch einen günstigen Einfluss auf erhöhte Blutfettwerte und Übergewicht haben [7].
Ob die oft erwähnten tumorhemmenden Effekte von Grüntee in Laborstudien sich auf den Menschen übertragen lassen, ist noch nicht abschließend geklärt. Eine Auswertung des Cochrane-Forschungsnetzwerkes kam 2020 zu dem Schluss, dass die Auswirkungen von Grüntee auf die Entstehung von Krebs sich noch nicht beurteilen lassen. Die einzelnen Studien mit teilweise vielversprechenden Ergebnissen wiesen leider Mängel auf, die ihre Aussagekraft schmälern [8]. Auch bei Osteoporose könnten sich Grünteesorten wie Sencha positiv auswirken, wie Du in meinem Beitrag „Wenn die Knochen müde werden: Grüntee bei Osteoporose“ lesen kannst.
So bereitest Du Catechin-reichen Sencha-Tee zu
Bezüglich der Zubereitung von Grüntee gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wer Sencha-Tee wegen seines Koffeingehalts und dem typischen frisch grasigen Geschmack mit Umami-Note konsumiert, der ist mit einer kurzen Ziehzeit von 2–3 Minuten mit warmem Wasser (ca. 70° C) gut aufgehoben. Bei dieser Methode ist der Gehalt an Catechinen jedoch gering. Diese bringen zwar eine herbe, bittere Note mit sich und schmälern auch die Koffeinwirkung. Dafür aber stellen sie ihre eigene Wirkung zur Verfügung, die vor allem mit Catechinen wie EGCG in Verbindung gebracht wird. Möglichst viele Catechine erhalten wir im Teegetränk bei längeren Ziehzeiten mit möglichst heißem Wasser [9]. Meine Empfehlung ist daher: 2-mal täglich 1 EL losen Sencha-Tee mit 250 ml siedendem Wasser übergießen und zugedeckt 10 Minuten lang ziehen lassen. Das Zudecken während der Ziehzeit verhindert das rasche Abkühlen, das die Ausbeute an Catechinen schmälert.
Und zum Schluss
Aufgrund der vielzähligen beobachteten Wirkungen auf die Gesundheit darf man bei Grüntee-Sorten wie Sencha von einer Heilpflanze sprechen. Ihre Heilwirkungen sind deutlich besser erforscht als die der meisten unserer Heilpflanzen.
Wichtig: Auch wenn vielversprechende Ergebnisse aus der Forschung vorliegen, ist Sencha-Tee jedoch kein Ersatz für herkömmliche Medikamente.
Von Seiten der ESCOP oder Kommission E gibt es noch keine Monografie zum Einsatz von Grüntee oder speziell Sencha-Tee. Laut HMPC kann Grüntee – basierend auf langjähriger Erfahrung – bei Müdigkeit und Schwächegefühl eingesetzt werden.
Sencha-Tee könnte jedoch darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag zur Gesunderhaltung liefern. Hauptgrund hierfür ist sein reicher Gehalt an Catechinen wie EGCG, deren Ausbeute durch lange Ziehzeiten mit möglichst heißem Wasser begünstigt wird.
Literatur
[9] Blaschek W, Ebel S, Hackenthal E et al. Camellia. Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. Stuttgart: WVG/Springer; 2014
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.