Pflanzenheilkunde

Wenn die Knochen müde werden: Grüntee bei Osteoporose

1. August 2023
Grüner Tee

Die Blätter des Teestrauchs (Camellia sinensis) sind sehr beliebt. Der aus ihnen hergestellte Grüne und Schwarze Tee machen nicht nur wach, sondern dürfte unsere Gesundheit auf vielerlei Weise positiv beeinflussen. So scheint Grüner Tee die Knochengesundheit zu fördern, was bei Osteoporose vorteilhaft sein kann.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 5,5 Minuten

Bei Osteoporose nimmt die Knochensubstanz ab

In Deutschland sind laut einer 2013 veröffentlichten Auswertung von Krankenkassendaten über 6 Millionen Menschen von Osteoporose betroffen, jeder 4. Mensch über 50 Jahre. Dabei kommt es zu einem verstärkten Abbau der Knochensubstanz. Deren Verlust geht mit verschiedenen Beschwerden einher und kann sich beispielweise durch Rückenschmerzen oder in einer verstärkten Neigung zu Knochenbrüchen zeigen.

Grüner Tee wird traditionell als wachmachendes Getränk konsumiert, wofür sein Koffeingehalt (2 – 4%) verantwortlich ist. Er enthält zudem bis zu 30 % Polyphenole, und die könnten sich positiv auf die Knochengesundheit auswirken.

So wirkt Grüner Tee auf die Knochengesundheit

Unterschiedliche Wirkprinzipien des Grünen Tees könnten sich positiv auf den Knochenstoffwechsel auswirken. Die im Grünen Tee enthaltene Verbindung Epigallocatechingallat scheint Resultaten aus der Grundlagenforschung zufolge einen positiven Effekt auf die genetische Regulation von Osteoblasten zu haben. Dies sind Knochenzellen, die für den Aufbau von Knochenmasse verantwortlich sind und Schäden in der Knochensubstanz erkennen und reparieren [1]. Diese aktivierende Wirkung auf die Osteoblasten scheinen noch weitere Flavonoide des Grünen Tees zu haben [2].

Auch die starken antioxidativen Eigenschaften des Grünen Tees dürften in der positiven Wirkung auf die Knochensubstanz eine Rolle spielen. Schlussendlich spielt oxidativer Stress, also die Belastung durch freie Radikale, wahrscheinlich eine zentrale Rolle bei der altersbedingten Abnahme der Knochenmasse [3]. Die Polyphenole des Grünen Tees binden nicht nur selbst freie Radikale, sie scheinen zudem körpereigene Antioxidanzien zu aktivieren und Entzündungsprozesse zu hemmen – eine häufige Ursache für oxidativen Stress [4].

Zwei klinische Studien untersuchten die gemeinsame Wirkung des Grünen Tees und der in China gebräuchlichen Kampfkunst Tai-Chi bei Frauen nach der Menopause. Die Kombination aus Tai-Chi und Grünem Tee zeigte in einer Studie eine deutliche Reduktion des oxidativen Stresses [5]. In einer weiteren Studie verbesserten Tai-Chi und Grüner Tee die Knochendichte und die Muskelkraft der Probandinnen [6].  Negative Auswirkungen des Grünen Tees zeigten sich in keiner der beiden Studien.

Ohne Bewegung geht es nicht

Körperliche Ertüchtigung ist wohl die effektivste Methode, um den Knochenabbau bei Osteoporose aufzuhalten [7]. Welche Sportart sich für ältere Menschen eignet, ist sehr individuell zu betrachten und sollte am besten in der ärztlichen Praxis besprochen werden. Hierbei müssen neben der Verfassung auch bestehende Krankheiten berücksichtigt werden. Tai-Chi ist eine Methode, die sich auf Grund ihrer meditativen und ruhigen Bewegungsabläufe auch gut für ältere Menschen mit eingeschränkter Fitness eignet.

Eine gute Ergänzung zu einem passenden Bewegungstraining ist eine antioxidative Ernährung mit einem hohen Gemüseanteil und antioxidativen Getränken wie Grünem Tee.

Daneben sollte in der ärztlichen Praxis eine möglicheweise notwendige Substitution mit Vitamin D und Kalzium abgeklärt (Blutanalyse) und ggf. besprochen werden.

Um möglichst früh die Knochengesundheit positiv zu beeinflussen, sollten Frauen ab 55 und Männer ab 65 Jahren ihr Osteoporose-Risiko bestimmen lassen, zum Beispiel mit Hilfe einer Knochendichtemessun,.

Grünen Tee anwenden

Normalerweise lautet die Empfehlung, Grünen Tee mit nicht zu heißem Wasser (am besten 80 Grad Celsius) zu überbrühen und nur kurz (3 Minuten) ziehen zu lassen. Diese Vorgehensweise begünstigt einen milden Geschmack des Tees und eine hohe Ausbeute an freiem Koffein. Je länger Grüner Tee zieht, desto höher ist sein Gehalt an Gerbstoffen und Catechinen, die bitter schmecken können und Koffein binden.

Den für die oben beschriebenen antioxidativen Eigenschaften des Tees steht eine längere Ziehzeit jedoch nicht im Weg, ganz im Gegenteil. Je länger und je heißer der Grüne Tee überbrüht wird, desto höher ist die Ausbeute an antioxidativen Polyphenolen [8].

Daher empfehle ich, 2-mal täglich 1 EL losen Grünen Tee mit 250 ml siedendem Wasser zu übergießen und den Aufguss zugedeckt 10 min. ziehen zu lassen.

Das Zudecken während der Ziehzeit sorgt dafür, dass die Temperatur des Wassers möglichst lange erhalten bleibt.

Ob die Zugabe von Milch die Aufnahme der Polyphenole aus dem Grünen Tee negativ beeinflusst, wird zurzeit noch kontrovers diskutiert. Ein Schluck Milch (nach der Ziehzeit hinzugefügt) scheint sich nicht negativ auszuwirken. Milchproteine binden zwar zunächst an Polyphenole, was ihre Wirksamkeit einschränken könnte. Diese Verbindungen werden aber wahrscheinlich im Verdauungstrakt wieder gespalten, sodass die Polyphenole dann wieder aktiv sind [8].

Bitte beachten: Die Anwendung des Grünen Tees bei Osteoporose geschieht auf Grund der positiven Erfahrungen der Erfahrungsheilkunde. In der offiziellen Monografie der HMPC für den Grünen Tee ist die Osteoporose nicht als Indikation gelistet. Weitere Monografien liegen bis heute nicht vor.

Zudem sollte bei Verdacht auf eine Osteoporose immer ein Arzt aufgesucht werden und eine gesicherte Diagnose durch diesen gestellt. Eine Eigenbehandlung mit Grünem Tee ist nicht zu empfehlen. Alle Maßnahmen sollten zuvor mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Und zum Schluss

Rund 68 Liter Tee werden in Deutschland jährlich pro Kopf getrunken, davon 28 Liter Teegetränke, die aus dem Teestrauch (Camellia sinensis) gewonnen werden [9]. Die Verwendung des Teestrauchs ist zu befürworten, da er viele positive Wirkungen auf unsere Gesundheit haben dürfte. Von besonderem Interesse im fortgeschrittenen Alter ist meiner Meinung nach die positive Wirkung des Grünen Tees auf die Knochengesundheit.

Literatur

[1] Chen CH, Ho ML, Chang JK, Hung SH, Wang GJ. Green tea catechin enhances osteogenesis in a bone marrow mesenchymal stem cell line. Osteoporos Int 2005; 16: 2039-2045

[2] Cabrera C, Artacho R, Gimenez R. Beneficial effects of green tea—a review. J Am Coll Nutr. 2006; 25:  79-99

[3] Manolagas SC. From estrogen-centric to aging and oxidative stress: a revised perspective of the pathogenesis of osteoporosis. Endocr Rev  2010; 31: 266–300

[4] Shen CL, Yeh JK, Samathanam C, Cao JJ, Stoecker BJ, et al.  Green tea polyphenols attenuate deterioration of bone microarchitecture in female rats with systemic chronic inflammation. Osteoporos Int 2011; 22: 327–337

[5] Qian G, Xue K, Tang L, Wang F etal.  (2012). Mitigation of oxidative damage by green tea polyphenols and Tai Chi exercise in postmenopausal women with osteopenia. PloS one, 7(10), e48090

[6] Shen CL , Chyu MC, Yeh JK, et al.  Effect of green tea and Tai Chi on bone health in postmenopausal osteopenic women: a 6-month randomized placebo-controlled trial. Osteoporosis international 2012: 23(5):1541–1552

[7] Qin L, Au S, Choy W, Leung P et al. Regular Tai Chi Chuan exercise may retard bone loss in postmenopausal women: a case-control study. Arch Phys Med Rehabil  2002; 83:1355–1359

[8] Blaschek W, Ebel S, Hackenthal Eet al. Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. Stuttgart: WVG/Springer; 2014

[9] Deutscher Tee- und Kräuterteeverband: TEE REPORT 2020. Im Internet: https://www.teeverband.de/files/bilder/Presse/Marktzahlen/TeeReport_2020_ES.pdf. Stand: 24.03.2023

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

Teilen

Das könnte Dir auch gefallen