Pflanzenheilkunde

Vier heimische Heilpflanzen gegen den Herbstblues

4. Oktober 2022
Teeglas mit Tee

Die Tage werden kürzer, das Sonnenlicht weniger. Der Herbst schlägt auf die Stimmung. Mancher träumt davon, ihm mit einer Reise zu entfliehen. Hilfe beim Herbstblues wartet nicht nur im sonnigen Süden, sondern auch vor unserer Haustür: Verschiedene Pflanzen haben sich bei saisonalem Stimmungstief bewährt.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 4 Minuten

Lichtbringendes Grün: Vier Heilpflanzen, die unsere Seele erhellen

Regen, Wind und grauer Himmel statt Sonnenschein: Wenn der Herbst da ist, drückt das vielen auf die Stimmung. Vielleicht geht Dir das auch so: Du bist weniger motiviert, hast weniger Lust auf Unternehmungen, Aufstehen fällt schwer, und häufig meldet sich der Heißhunger auf Süßes. Was ist passiert? Das abnehmende Tageslicht kurbelt die Produktion des Schlafhormons Melatonin an, was für Müdigkeit sorgt. Parallel dazu kann weniger Serotonin produziert werden, was sich auf die Stimmung auswirken kann. In den nächsten Abschnitten stelle ich Dir vier Heilpflanzen aus der Erfahrungsheilkunde vor, die ich bei Herbstblues gerne anwende.

Die Engelwurz

Die Engelwurz (Angelica archangelica) findet schon seit Jahrhunderten als seelisches Stärkungsmittel Anwendung. Ihre Wirkungen auf die Psyche sind bisher erst in präklinischen Studien untersucht. In diesen finden sich Hinweise auf mögliche antidepressive und angstlösende Eigenschaften ihrer Wirkstoffe, insbesondere der Cumarine [1][2]. Diese sollen unter anderem das Enzym Monoaminooxidase (MAO) hemmen, das anregende Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin oder Noradrenalin abbaut. Eine Hemmung des Enzyms macht man sich in der Medizin zunutze: Sogenannte Monoaminooxidase-Hemmer finden als Antidepressiva Anwendung, sie sollen durch die Hemmung des Enzyms Monoaminooxidase die Konzentration der anregenden Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin oder Noradrenalin erhöhen.

Die Linde

Unsere einheimischen Lindenarten (Tilia platyphyllos und Tilia cordata) wurden noch nicht hinsichtlich einer möglichen stimmungsaufhellenden Wirkung untersucht, wohl aber ihre amerikanische Verwandte, die Amerikanische Linde (Tilia americana). Ihre Flavonoide wie Quercetin, Rutin und Isoquercitrin finden sich auch in unseren Linden. In Grundlagenstudien zeigten die Flavonoide der amerikanische Linde antidepressive Wirkungen [3].

Bei Herbstblues könnten vor allem auch die beruhigenden, stress- und angstlösenden Eigenschaften der Linde von Belang sein. Diese werden zum einen auf ihre Flavonoide, zum anderen auf ihre erst kürzlich entdeckten Dihydropyrrol- und Piperidinalkaloide zurückgeführt [4]. 

Lindenblüten
Lindenblüten gelten als bewährtes pflanzliches Mittel bei stressbedingten Beschwerden. © M. Schuppich/stock.adobe.com

Der Buchweizen

Buchweizenkraut (Fagopyrum) ist vor allem als Arzneipflanze zur Behandlung von Erkrankungen des arteriellen und venösen Gefäßsystems bekannt. Weniger bekannt ist sein Einsatz bei stressbedingten Beschwerden, Erschöpfung und depressiven Verstimmungen in der Erfahrungsheilkunde. Beim Herbstblues könnten neben den antioxidativen vor allem die durchblutungsfördernden Eigenschaften der Pflanze eine Rolle spielen. Die Wirkstoffe des Buchweizens scheinen die Durchblutung des Gehirns zu verbessern, was stimulierende Effekte auf die Konzentration und das Gedächtnis haben könnte [5]. Wahrscheinlich sind diese Effekte auf den Gehalt an Flavonoiden zurückzuführen.

Der Dost

Der Dost (Origanum vulgare) ist auch unter Bezeichnung Oregano bekannt. Dost könnte  nervenstärkende Wirkungen haben. Im Herbst könnten seine Flavonoide hilfreich sein. Das Flavonoid Hyperosid soll stimmungsaufhellend, das Flavonoid Rutin beruhigend und das Flavonoid Quercetin angstlösend wirken [6]. Daneben spielt sicher auch sein ätherisches Öl eine Rolle. Ich persönlich empfinde das Öl als angenehm anregend und es weckt in mir schöne Erinnerungen an unbeschwerte Sommertage.

Hinweis! Offizielle Monografien der Kommission E, der ESCOP, der WHO oder der HPMC führen bei den erwähnten Pflanzen keine stimmungsaufhellende Wirkung auf. Ihre Anwendung bei Herbstblues beruht auf meiner persönlichen Erfahrung und den Erkenntnissen der Erfahrungsheilkunde.

Teemischung gegen den Herbstblues

Die obigen Heilpflanzen lassen sich zu einem Rezept kombinieren, das aus meiner Praxis stammt. Du kannst es Dir in einer Kräuterapotheke mischen lassen.

Rezept gegen den Herbstblues

Zutaten

  • 20 g Lindenblüten (Tiliae flores)
  • 60 g Buchweizenkraut (Fagopyri herba)
  • 60 g Dostenkraut (Origani vulgaris herba)
  • 80 g Angelikawurzel (Angelicae radix)

Zubereitung und Anwendung

Bis zu 3-mal täglich einen gestrichenen EL der Teemischung mit 250 ml siedendem Wasser zugedeckt 15 Minuten ziehen lassen. Anschließend schluckweise trinken. Der Tee eignet sich für eine längere Anwendung. Wenn Du ihn täglich trinkst, dann mach alle 4 Wochen eine einwöchige Pause.

Achtung! Schwangere sollten das Tee-Rezept ohne Angelikawurzel und Dostenkraut zubereiten lassen. Ihre Wirkstoffe sollen die Durchblutung des Unterleibs anregen, was sich nachteilig auf die Schwangerschaft auswirken könnte.

Hinweis! Wer gegen einen oder mehrere Bestandteile des Rezeptes allergisch ist, darf den Tee nicht zu sich nehmen. Für die Einnahme der Teemischung sind nach heutigem Erkenntnisstand weder weitere Gegenanzeigen noch unerwünschte Wirkungen bekannt, auch keine Wechselwirkungen mit Medikamenten.

Vor der Anwendung: Bitte diese Hinweise lesen und beachten

Wichtig! Wenn sich Deine Stimmung nach 2 Wochen nicht bessert und Du Dich weiterhin antriebslos und lustlos fühlst, dann sprich mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt darüber.
Wenn Du bereits aufgrund einer Depression oder anderen psychischen Erkrankung in Behandlung bist und sich Deine Beschwerden im Herbst verschlechtern, suche auf jeden Fall ärztliche oder psychologische Unterstützung.

Hinweis! Bei Suizidgedanken solltest Du Dir sofortige Unterstützung holen. Dafür gibt es schnelle und unkomplizierte Hilfe. Die Telefonseelsorge ist unter den Nummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 rund um die Uhr für Dich erreichbar.

Eine gute Anlaufstelle ist auch die Deutsche Depressionshilfe. Im Internet ist sie unter https://www.deutsche-depressionshilfe.de erreichbar.

Daneben hat Deine Gemeinde sicher einen sozialpsychiatrischen Dienst, den Du kontaktieren kannst.

Und zum Schluss

Im Herbst scheinen wir kurzzeitig Sonnenlichts-Entzugserscheinungen zu zeigen. Das Licht des Sommers fehlt uns, die Umstellung auf den kommenden Winter funktioniert nicht immer reibungslos. Wer den Herbstblues erlebt, ist nicht allein und kann auf bewährte Mittel zurückgreifen. Dazu zählen neben Aufenthalten an der frischen Luft, Sport, sozialen Kontakten und Entspannungsübungen wie Meditation oder Yoga auch Heilpflanzen.

Literatur

[1] Kumar D, Bhat ZA, Shah MY. Anti-anxiety activity of successive extracts of Angelica archangelica Linn. on the elevated T-maze and forced swimming tests in rats. J Tradit Chin Med. 2012; 32: 423-9. DOI: 10.1016/s0254-6272(13)60049-7

[2] Kaur A, Garg S, Shiekh BA et al. InSilico Studies and In Vivo MAOA Inhibitory Activity of Coumarins Isolated from Angelica archangelica Extract: An Approach toward Antidepressant Activity. ACS Omega. 2020; 5: 15069-15076. DOI: 10.1021/acsomega.0c00887

[3] Martínez-Hernández GB, Jiménez-Ferrer E, Román-Ramos R et al. A mixture of quercetin 4′-O-rhamnoside and isoquercitrin from Tilia americana var. mexicana and its biotransformation products with antidepressant activity in mice. J Ethnopharmacol. 2021; 267: 113619. DOI: 10.1016/j.jep.2020.113619

[4] Symma N, Bütergerds M, Sendker J et al. Novel Piperidine and 3,4-dihydro-2H-pyrrole Alkaloids from Tilia platyphyllos and Tilia cordata Flowers. Planta Med. 2021; 87: 686-700. DOI: 10.1055/a-1340-0099

[5] Jing R, Li HQ, Hu CL et al. Phytochemical and Pharmacological Profiles of Three Fagopyrum Buckwheats. Int J Mol Sci. 2016; 17: 589. DOI: 10.3390/ijms17040589

[6] Oniga I, Pușcaș C, Silaghi-Dumitrescu R et al. Origanum vulgare ssp. vulgare: Chemical Composition and Biological Studies. Molecules 2018; 23: 2077. DOI: 10.3390/molecules23082077

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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