Pflanzenheilkunde

Draculas Erbe: Knoblauch, Viren und Vampire

31. Januar 2023
Knoblauchzehen

Vampire gab es wirklich! Aber nicht in der Form, die wir uns heute vorstellen. Der Vampirmythos hat mit 2 seltenen Erkrankungen zu tun. Bei einer davon ist Knoblauch gefährlich. Hingegen kann die schwefelige Knolle bei anderen Erkrankungen, zum Beispiel bei Erkältungen, ein Segen sein.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 4,5 Minuten

Inspirationen für die Romanfigur Dracula

Ist Dir der irische Schriftsteller Abraham „Bram“ Stoker (1847–1912) bekannt? Vielleicht nicht, aber sicher kennst Du seine berühmteste Romanfigur, den Grafen Dracula. Schon sein Äußeres klingt furchteinflößend, insbesondere seine langen, spitzen Zähne. Richtig erschauern lässt einen dann seine nächtliche Verwandlung: Er gewinnt übermenschliche Kräfte und saugt Blut aus menschlichen Opfern. Stoker hatte sicher eine blühende Fantasie, doch für seine Vampirschilderung ließ er sich inspirieren. Zum einen von der historischen Person des brutalen Vlad Draculea (1431–1477) und Legenden aus Südosteuropa, zum anderen von medizinischen Schilderungen. Zu letzteren zählt eine Schilderung des österreichischen Arztes Dr. Glaser, der von Oktober bis Dezember 1731 eine seltsame Krankheit zu untersuchen hatte, die in Ortschaften des heutigen Serbiens auftrat.

„Untote“ im Osten des Kaiserreichs Österreich-Ungarn

Das heutige Serbien zählte zu Lebzeiten Glasers zur Ostgrenze des Kaiserreichs Österreich-Ungarn. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts häuften sich in dortigen ländlichen Gegenden unerklärliche Erkrankungen mit Todesfolge. Die Betroffenen bekamen hohes Fieber, hatten großen Durst, blaurote Hautflecken und nächtliche Delirien und Alpträume. Sie starben innerhalb weniger Tage. Laut der einheimischen Bevölkerung seien blutsaugende Untote für die Todesfälle verantwortlich, indem sie die „Vampyrkrankheit“ übertrugen.

Dr. Glaser führte umfängliche Untersuchungen durch, unter anderem an den Verstorbenen, bei denen er zum Beispiel innere Blutungen entdeckte. Seine detailreichen Schilderungen der Vorkommnisse lieferten nicht nur Bram Stoker Material für sein Buch. Sie erlaubten dem Wiener Gerichtsmediziner Prof. Dr. Christian Reiter in den letzten Jahren den aus seiner Sicht wahren Grund für die „Vampyrkrankheit“ zu entdecken. Es handelte sich seiner Meinung nach um eine Endemie mit dem Milzbranderreger, dem Bakterium Bacillus anthracis, das bei Huftieren vorkommt. Vermutlich sei der Verzehr von rohem oder nicht ausreichend gegarten Fleisch Ursache für die Endemie des Jahres 1731 [1].

Dracula-Symptome durch eine Erbkrankheit

Prof. Dr. Christian Reiter ist nicht einzige medizinhistorische „Detektiv“, der den Ursprung des Vampiraberglaubens entschlüsseln wollte. Der kanadische Wissenschaftler David Dolphin von der Universität in British Columbia schlug gegen Ende des letzten Jahrhunderts eine interessante Hypothese vor.

Die Abgeschiedenheit Transsilvaniens dürfte laut Dolphin zu einer eingeschränkten genetischen Durchmischung und bisweilen auch Inzucht geführt haben. Beides fördert das vermehrte Auftreten von seltenen erblichen Krankheiten. Zu diesen zählt die Porphyrie, eine Stoffwechselstörung, bei denen die Bildung des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin gestört ist. Dies führt zu Blutarmut, die Betroffene bleich aussehen lässt. Zudem leiden sie unter extremer Lichtempfindlichkeit, direktes Sonnenlicht führt schnell zu Hautverbrennungen mit Blasenbildung. Lippen und Zahnfleisch können sich im Laufe der Erkrankung zurückziehen, wodurch der Eindruck besonders langer Zähne entsteht. Zudem konnte eine verstärkte Körperbehaarung auftreten. Das Trinken von Tierblut könnte womöglich ein Mittel gewesen sein, um die Blutarmut zu lindern. [2]

Bleiche Menschen mit langen Zähnen, die Sonnenlicht meiden und Blut trinken: Das kommt unserem und dem damaligen Vampirbild schon sehr nah.

Welche Rolle spielt Knoblauch?

Und dann kommt noch die Sache mit dem Knoblauch: Diallyldisulfid, ein Abbauprodukt des schwefelhaltigen Wirkstoffs Allicin aus der Knolle, kann nämlich den Abbau des roten Blutfarbstoffs beschleunigen und seine Synthese hemmen [3]. Für Gesunde ist dieser Effekt harmlos. Er könnte jedoch zu einer schnellen Verschlechterung des Zustands von Porphyrie-Kranken führen. Gut möglich, dass die Betroffenen Transsilvaniens Knoblauch instinktiv oder aufgrund schlechter Erfahrungen gemieden haben. Womöglich hat sich dadurch auch der Glaube ausgebildet, Knoblauch könne vor Vampiren schützen.

Schützt Knoblauch vor Vampiren? – die (nicht ganz ernstzunehmende) wissenschaftliche Überprüfung

Zwei norwegische Forscher stellten sich 1994 – nicht ohne Ironie –  in einem kleinen Experiment die Frage, ob Knoblauch vor Vampiren schützt. Hier sind nicht als Vampire bezeichnete Menschen gemeint, die unter einer der beiden oben geschilderten Krankheiten litten. Sondern die Wesen, die wir aus fiktionalen Büchern und Filmen kennen: Untote, die nachts das Blut von Menschen und Tieren saugen.

Da sie – wie die Forscher schreiben – keine Vampire (woher auch?) zur Verfügung hatten, griffen sie zu anderen Blutsaugern: zu Blutegeln. Dann ermittelten sie, was die blutsaugenden Tiere bevorzugten: Eine mit Knoblauch abgeriebene Hand oder eine Hand ohne Knoblauch. Das Ergebnis: Die Tiere bevorzugten die Hand mit dem Knoblaucharoma [4].

Natürlich ist das wohl mit Augenzwinkern geschriebene Fazit der Studie, dass Knoblauch nicht gegen Vampire helfen soll, da er nicht vor anderen Blutsaugern schützt, nicht ernstzunehmen. Dass die „Knoblauch-Hand“ bevorzugt wurde, könnte meiner Meinung nach daran liegen, dass die schwefeligen Verbindungen des Knoblauchs die Durchblutung der Haut anregen, was wiederum die Esslust der Tiere steigern könnte.

Um die Wirkung von Knoblauch an den Vampirgestalten unserer Filme und Bücher zu testen, müssten uns diese auch im echten Leben begegnen. Diese Begegnung können wir wohl ausschließen. Zum Glück.

Aber andere Wesen machen uns zu schaffen, die ganz ähnlich wie Vampire weder tot noch lebendig zu sein scheinen. Und ganz ähnlich wie Vampire haben die meisten von uns sie noch nie gesehen: Viren.

Mit Knoblauch gegen Viren

Viren sind keine Lebewesen. Es sind organische Verbindungen, die wissenschaftlich gesehen aber dem, was wir als Lebewesen bezeichnen, nahestehen. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich nicht allein fortpflanzen. Dafür benötigen sie uns oder andere Lebewesen. Sie dringen in deren Zellen ein und sorgen dafür, dass diese neue Viren bildet. Besonders in der kalten Jahreszeit machst wahrscheinlich auch Du häufiger mit Viren Bekanntschaft. Dann könnte der Knoblauch hilfreich sein. Seine Wirkstoffe hemmen unter anderem das Eindringen von Viren in unsere Zellen und – falls es ihnen doch gelingt – ihre Vermehrung [5].

Wie Du Dir die antivirale Kraft des Knoblauch zunutze machen kannst, zeige ich Dir in meinem Beitrag „Mit der Knoblauch-Zitronen-Schlempe Infekten vorbeugen“.

Fazit

Die blutsaugenden Vampire aus Filmen und Büchern wie Graf Dracula und Viren haben einiges gemeinsam: Beide kriegen wir mit bloßen Auge nie zu Gesicht – weil es erstere nicht gibt und die zweiten zu klein sind und erst mit einem Elektronenmikroskop zu sehen sind. Vampire und Viren scheinen sich beide zudem in einer Grenzwelt zwischen Tod und Leben zu bewegen. Und bei beiden ist der Knoblauch ein Thema. Besonders gegen die häufigen und lästigen Erkältungsviren kann uns der Knoblauch nützlich sein.

Literatur

[1] Lukitsch-Dittlbacher L. Eine Endemie als Ursprung des Vampiraberglaubens (1.2.2022): Im Internet: https://www.medinlive.at/wissenschaft/eine-endemie-als-ursprung-des-vampiraberglaubens; Stand 15.10.2022

[2] Boffey PM. RARE DISEASE PROPOSED AS CAUSE FOR ‚VAMPIRES‘. NYTimes (31.05.1985). Im Internet: https://www.nytimes.com/1985/05/31/us/rare-disease-proposed-as-cause-for-vampires.html; Stand: 15.10.2022

[3] Hofmann C. Knoblauch – chemische Aspekte. Im Internet: http://daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/knoblauch/Knoblauch.pdf; Stand: 17.10.2022

[4] Sandvik H, Baerheim A. Beskytter hvitløk mot vampyrer? En eksperimentell studie [Does garlic protect against vampires? An experimental study]. Tidsskr Nor Laegeforen. 1994; 114(30): 3583–6

[5] Vlachojannis J, Chrubasik-Hausmann S. Studies on the Antiviral Effect of Preparations from Garlic. Zeitschrift für Phytotherapie 2022; 43(01): 21–23

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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