Pflanzenheilkunde

Wie der Adventskranz zu uns kam

25. November 2022
Adventskranz

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt … Wer kennt nicht das Gedicht vom Adventskranz, der in vielen Haushalten ab Ende November auf den Esstischen steht? Woher aber stammt dieser Brauch, einen Adventskranz in der Vorweihnachtszeit aufzustellen, was symbolisiert er, und welche Geschichten verbergen sich dahinter?

Susanne Koch

Die Ursprünge des Adventskranzes: Ein Wagenrad für ungeduldige Kinder

Pfarrer Johann Hinrich Wichern (1808-1881) heißt der Mann, auf den die Tradition des christlichen Adventskranzes zurückzuführen ist. Er war Gründer der evangelisch geprägten „Inneren Mission“ und des „Rauen Haus“ in Hamburg, Waisenkinder wurden dort in sogenannten Hausfamilien betreuet. Um den Kindern die Wartezeit bis zum Weihnachtsfest zu verkürzen und die Zahl der Tage, die noch vergehen müssen, bis das sehnlichst erwartete Fest endlich da ist, zu visualisieren, bestückte Wichern 1839 zum ersten Mal im Betsaal des Waisenhauses ein großes Wagenrad mit Kerzen. Für jeden Tag, vom 1. Advent an bis zum Heiligen Abend, hatte er eine Kerze auf das Rad gestellt, und täglich zündete er eine Kerze mehr an als am Tag zuvor. Ob es wirklich, wie behauptet wird, kleine rote Kerzen für die Wochentage und große weiße für die Adventssonntage waren, ist nicht belegt. Sicher ist jedoch, dass das Wagenrad von den Kerzen abgesehen schmucklos war.

Bis es sich etabliert hatte, in der Adventszeit ein Wagenrad, also einen Kranz, mit Kerzen zu bestücken und diese nach und nach anzuzünden, dauerte es einige Jahre. Zunächst wurden ähnliche Kränze in anderen Einrichtungen der „Inneren Mission“ aufgestellt. Im Laufe der Zeit fand der Adventskranz nach Pfarrer Wichern dann auch Einzug in die Privathaushalte und Kirchen, vorrangig evangelische. Es soll bis 1925 gedauert haben, bevor erstmals ein Adventskranz in einer katholischen Kirche in Köln aufgehängt wurde. Zu dieser Zeit befanden sich bereits nur noch vier Kerzen auf dem Adventskranz – eine für jeden Adventssonntag. Warum, dazu später mehr …

Der Adventskranz wird grüner, kleiner …

Ab 1860 soll der Kranz nicht mehr schmucklos, sondern mit Tannengrün dekoriert worden sein. Dass damit eine vergessene Tradition aus vorchristlicher Zeit mit viel Symbolkraft wieder auflebte, war sicherlich nur wenigen Menschen bewusst. Zur Zeit der Wintersonnwende, also am 21. Dezember, holten sich unsere Vorfahren immergrüne Zweige ins Haus. Mit Zweigen von Fichte, Tanne, Eibe, Efeu und anderen immergrünen Bäumen wurde die Hoffnung auf das neue Erwachen der Natur zum Ausdruck gebracht. Dass diese Zweige auch in der dunkelsten Zeit des Jahres ihre grünen Nadeln und Blätter nicht verlieren, wurde als Symbol für die Kraft und Fruchtbarkeit des Lebens angesehen. Grüne Zweige brachte man auch zum Schutz vor Dämonen über Türen und an Fenstern an.

Warum der Adventskranz heute kein Wagenrad mehr ist, hat wohl mit dessen Größe zu tun. Schließlich hatte und hat nicht jeder Haushalt Platz für ein Wagenrad.

… und der Adventskranz wird bunter!

Heutzutage wird der Adventskranz auch mit Kerzen in allen Farben geschmückt. Ursprünglich nahm man vor allem rote, violette oder weiße Kerzen. Auch in diesen Farben steckt eine alte Symbolik verborgen: In der christlichen Kirche steht das Rot für das Blut Jesu, die Auferstehung. So wird bereits im Advent durch die roten Kerzen der Bogen zum Opfertod am Kreuz geschlagen. In steinzeitlichen Kulturen galt die rote Farbe als Heilfarbe, als Farbe des Lebens. Rot wurde mit der Fruchtbarkeit und den Göttinnen in Verbindung gebracht. Rot steht somit auch für die Liebe und die Sexualität. Rot war auch stets eine Schutzfarbe für Kranke und Schwangere.

Weiße Kerzen wurden anfangs vermutlich aus praktischen Gründen verwendet: Sie waren einfacher zu bekommen. Im christlichen Glauben steht die Farbe für Klarheit, Unschuld und Reinheit. Die Taube, in der christlichen Kirche ein Symbol für den heiligen Geist, wird immer mit weißem Gefieder dargestellt, ebenso sind die Engel stets in weiße Gewänder gehüllt.

Weiß war in vorchrislicher Zeit die Farbe der Lichtgottheiten und somit eine wichtige Schutzfarbe. Mitunter auch ein Grund, warum bei den Übergängen der Lebensstufen weiße Gewänder getragen wurde: Geburt, Taufe, Hochzeit, Tod.

In alteuropäischen Kulturen war weiß auch die Farbe des Todes. Da der Tod jedoch nicht als ein endgültiger Zustand gesehen wurde, sondern als Übergangsstadium in das nächste Leben, stand weiß auch für die Wiedergeburt und den Kreislauf des Lebens.

Es stehen vier im Kreis

Warum Pfarrer Wichern die Kerzen ausgerechnet auf ein Wagenrad befestigte, ist nicht überliefert. Vielleicht war es einfach der Größe wegen. Wie sonst kann man 22-28 Kerzen auf begrenztem Raum aufstellen? Denn je nachdem, auf welches Datum der 1. Advent fällt, dauert die Adventszeit 22-28 Tage.

Heute befinden sich nur noch vier Kerzen auf dem Adventskranz. Warum? Abgesehen davon, dass die vier Kerzen für die Adventssonntage stehen, könnten sie auch für die vier Jahreszeiten stehen, die in ewiger Wiederkehr das Werden und Vergehen begleiten. Im antiken Griechenland stand die Zahl für die Haupttugenden: Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Freude, Trauer, Wut und Angst gelten als die vier Grundgefühle. Zusammen betrachtet steht sie also auch im weitesten Sinne mit der inneren Einkehr, dem Blick nach innen im Zusammenhang.

Was ist besser für die „eigene Seelenschau“ geeignet, als in der kalten, dunklen Jahreszeit bei Kerzenschein und Tannenduft den Blick nach innen zu wenden und ruhig zu werden, um das endende Jahr Revue passieren zu lassen und zu verarbeiten; um sich dann, wenn in Kürze der dunkelste Tag des Jahres überstanden ist, wieder dem neuen Jahr mit allen Freuden und Herausforderungen zu öffnen?

Was es mit dem Kranz auf sich hat

Ich war erstaunt, dass es im frühen Mittelalter den Brauch gegeben haben soll, dass sich Bedienstete auf das Recht berufen konnten, bei besonders strenger Kälte nicht im Freien arbeiten zu müssen. Als Zeichen dafür wurde ein Rad vom Wagen abgenommen und unter dem Dachfirst oder im Haus über dem Kamin aufgehängt. Als Zeichen für den wiederkommenden Frühling soll auch dieses Rad bereits mit grünen Zweigen geschmückt worden sein. Möglicherweise kannte Pfarrer Wichern diesen Brauch und ließ sich davon zu seinem Adventskranz inspirieren.

Überhaupt: der Kranz. Schon immer galt der Kreis als Symbol für Schutz, aber auch für Kraft und Macht. Früher pflanzte man beispielsweise eine Hecke um die Siedlung, den sogenannten Schutzkreis. Er sollte die dort lebenden Menschen vor Eindringlingen, aber auch vor bösen Geistern schützten. Auch Naturheiligtümer wurden mit Hecken umfriedet –als Grenze zwischen dem Profanen und dem Sakralen.

Bei vielen Ritualen wurde früher und wird auch heute noch ein Kreis um eine Menschenansammlung gezogen, sei es einfach mit einem Stock im Staub, mit Kreide auf dem Boden oder mit Blumen, Kräutern, Steinen oder Mineralien, die in Kreisform gelegt werden. Auch hier soll der Kreis die Menschen darin beschützen. Dem Sieger im Kampf wurde früher ein Kranz aus Lorbeer auf den Kopf gesetzt, Könige trugen ihn in Form einer Krone –beides Sinnbilder der Macht.

Ohne Anfang und Ende ist der Kreis, oder der Kranz, ein Symbol der Unendlichkeit, Ewigkeit und im christlichen Glauben auch ein Symbol für den Opfertod und die Auferstehung. Die Schutzpatrone der Kirchen werden daher mit einem Kranz aus Licht, dem Heiligenschein, dargestellt. Der Ring um den Finger, der Blumenkranz auf dem Haar oder die hübsche Kette um den Hals könnten ebenfalls als (geweihter) Talisman für Unendlichkeit, Ewigkeit, Schutz und Macht stehen.

Übrigens ist auch das Winden des Adventskranzes mit einem Ritual bzw. einer Symbolik verbunden: Man windet die erste Runde linksherum. Jeden Zweig, der dabei festgebunden wird, verbindet man mit einem Ereignis des scheidenden Jahres, das man würdigen oder vielleicht auch verabschieden möchte. Man befestigt den Zweig Eingedenk an das Ereignis und mit Segens- oder Dankbarkeitswünschen verbunden am Kranz. In der zweiten Runde windet man rechtsherum (im Uhrzeigersinn) und wickelt dabei mit den Zweigen seine Wünsche, Hoffnungen und Segnungen für das kommende Jahr in den Kranz.

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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