Pflanzenküche

Schlehe – wertvolle Wildfrucht für Mensch und Tier

13. September 2022
Schlehe

Wenn die Schlehenfrüchte reifen, kündet sich der Herbst an. Mit den blauschwarzen Wildfrüchten kannst Du in der Küche Fruchtaufstriche oder Liköre herstellen. Unsere Vorfahren verwendeten nicht nur die Früchte der Schlehe, sondern auch die feinduftenden Blüten und selbst aus dem Holz wurden Spazierstöcke hergestellt.

Rudi Beiser

Lesezeit: 6 Minuten

Schlehe: Ein Elternteil der Pflaume

Die Schlehe (Prunus spinosa) besiedelt vor allem Waldränder und Hecken. Vermutlich hast Du den Busch schon einmal wahrgenommen. Denn er kündigt im März mit seiner strahlend weißen Blütenpracht den Frühling an zu einer Zeit, wenn die Natur noch weitgehend schläft. Ab September entwickeln sich die dunkelblauen, hell bereiften Früchte. Sie sehen ein wenig wie kleine Pflaumen aus. Kein Wunder, denn die Schlehe ist zusammen mit der wilden Kirschpflaume ein Urahne der Kultur-Pflaume. Die Züchtung gelang schon vor 3000 Jahren in Anatolien. In manchen Gegenden wird die Schlehe auch Schwarzdorn genannt. Die Bezeichnung als Schwarzdorn nimmt zum einen Bezug nimmt auf die dunkle Rinde, zum anderen auf die kräftigen Dornen.

Der dornige Strauch ist auch ökologisch sehr wertvoll, denn die kugeligen Früchte sind bei den Vögeln sehr beliebt. Der Strauch bietet den Vögeln nicht nur Nahrung, sondern auch sichere Nistmöglichkeiten: Durch die Dornen sind sie gut geschützt vor Nesträubern. Überhaupt ist die Schlehe ist ein tolles Naturschutzgehölz, denn die zahlreichen Blüten spenden schon ab März reichlich Nektar für Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge. 137 Insektenarten wurden als Blütenbesucher oder Blattfresser registriert.

Inhaltsstoffe der Schlehe

Da alle Wildkräuter und Wildfrüchte mehr Vitamine und Mineralien enthalten als gezüchtetes Gemüse und Kulturobst, kann auch die Schlehe gegenüber den Pflaumen oder Zwetschgen punkten: Sie enthält beispielsweise 1,5-mal so viel Calcium, 2,5-mal so viel Magnesium und 3,5-mal so viel Eisen. [1] Schlehen enthalten auch viel Provitamin A, ein wichtiges Vitamin für die Sehkraft und das Immunsystem.

Anwendung der Schlehe

Auch medizinisch werden die Schlehenfrüchte eingesetzt, allerdings nur noch sehr selten. Aufgrund des hohen Gerbstoffgehaltes empfiehlt die Kommission E sie bei leichten Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhäute. Für einen Tee zum Gurgeln nimmt man in der Volksmedizin 2 TL Früchte auf 150-200 ml Wasser. Die Gurgellösung kann 3-mal täglich genommen werden. Wenn die Beschwerden nicht innerhalb von 2 Tagen abklingen, oder wenn Fieber oder/und weitere Symptome auftreten, unbedingt einen Arzt aufsuchen.

Hinweis: Für die innerliche Einnahme von Schlehe sind nach heutigem Erkenntnisstand weder Gegenanzeigen noch unerwünschte Wirkungen bekannt, auch keine Wechselwirkungen mit Medikamenten.

In der Volksmedizin nahm man die getrockneten Schlehen früher auch bei Durchfall. Heute stehen bei Durchfall allerdings bessere Mittel zur Verfügung.

Hinweis! Durchfall kann auch ein Symptom einer schweren Erkrankung sein. Deshalb ist bei Durchfall eine Abklärung durch Arzt nötig, wenn die Beschwerden nach zwei Tagen nicht abgeklungen sind, oder Fieber, blutige Stühle, starke Schmerzen oder Bewusstseinseintrübungen auftreten oder wenn Du kurz vorher im Ausland warst.

Die im Frühling gesammelten Blüten galten in der Volksmedizin früher als mildes Abführmittel und waren oft Bestandteil von „Entschlackungs- und Blutreinigungstees“. Außerdem nahm man sie in der Volksmedizin auch bei Fieber und als harntreibendes Mittel. Die Schlehdornblüten bekamen von der Kommission E eine Negativmonographie, weil die Wirksamkeit nicht belegt ist.

Hinweis! Die Blüten enthalten wie der Kern das leicht giftige Blausäureglycosid Amygdalin, jedoch in sehr geringen Mengen. In größerer Dosierung ist das Blausäureglycosid Amygdalin giftig und kann Übelkeit und Erbrechen auslösen. Es baut sich beim Trocknen der Blüten weitgehend ab.

Ohne Verarbeitung kaum genießbar

Die Schlehe wurde schon von unseren Vorfahren als Nahrungsmittel geschätzt, was zahlreiche Funde von Schlehenkernen an jungsteinzeitlichen Siedlungsplätzen bestätigen. Wer beim Spaziergang in eine der lecker aussehenden Früchte beißt, wird ziemlich enttäuscht sein: Die Schlehen sind herb und sauer. Roh sind sie kaum genießbar. Sie sind so gerbstoffreich, dass sie die Zähne „stumpf“ werden lassen und die Mundschleimhäute zusammenziehen. Eigentlich enthält die Schlehe genauso viel Zucker wie ein Apfel. Allerdings können wir diese Süße nicht wahrnehmen, weil die vielen Gerbstoffe unsere Geschmackszellen komplett lahmlegen.

Die Gerbstoffe (Tannine) bauen sich jedoch langsam ab, wenn Du die Schlehen nach der Ernte noch 1–2 Wochen kühl und frostfrei lagerst. Theoretisch könntest Du die Früchte bis zur endgültigen Reife im November hängen lassen. Dann ist aber die Gefahr groß, dass die Vögel schneller waren. Um auch noch etwas abzubekommen, ist es sinnvoll schon Ende September bzw. Anfang Oktober zu ernten und dann die Früchte im Haus nachreifen zu lassen. Sie werden von Tag zu Tag milder und süßer. Diese Methode des Nachreifens ist wesentlich erfolgreicher als das oft empfohlene Durchfrieren. Denn die Tannine werden durch Frost nicht abgebaut. Das Durchfrieren hat allerdings den Vorteil, dass die Früchte sich besser verarbeiten lassen, da der Fruchtsaft dann leichter aus den zerstörten Zellen austritt.

Schön ausgereift eignen sich die Früchte sehr gut für die Verarbeitung zu Saft, Likör, Gelee, oder herzhaft als Chutney. Leider löst sich grünliche Fruchtfleisch kaum vom Kern. Deshalb ist es sinnvoll, bei der Saft- oder Marmeladeherstellung die Früchte mit dem Kern zu erhitzen und für die anschließende Weiterverarbeitung durch ein Sieb zu passieren. Erhitze die Schlehen dabei in etwas Apfelsaft, denn Schlehen sind nicht sehr saftreich. Es genügt, wenn Du die Schlehenfrüchte im Topf gerade mit Saft bedeckst. Außerdem macht die Kombination mit mildsüßem Obst das Endprodukt geschmacklich sehr harmonisch. Auch Birnen, Pflaumen und Zwetschen eignen zum Untermischen.

Hinweis! Der Kern der Schlehe ist übrigens blausäurehaltig (Amygdalin) und sollte deshalb nicht aufgeschlagen werden. In größerer Dosierung ist das Blausäureglycosid Amygdalin giftig und kann Übelkeit und Erbrechen auslösen.

Bei der Likörherstellung werden jedoch einige wenige aufgeschlagene Kerne (maximal 3) hinzugefügt, da das Bittermandelaroma explizit gewünscht ist. 

Schlehenfrüchte und ein Glas Likör
Aus den Schlehenfrüchten lässt sich ein Schlehen-Likör herstellen. (Symbolbild) © Steidi/stock.adobe.com

Schlehen-Likör

Zutaten:

  • 400 g Schlehenfrüchte
  • 1 l Pflaumen- oder Zwetschgenschnaps (alternativ: Korn oder Wodka)
  • 1 Vanilleschote oder alternativ 1 Stange Zimt
  • 200 g Vollrohrzucker oder Kandis
  • 150 ml Wasser 

Zubereitung:

Schlehen über Nacht einfrieren, damit die Zellen platzen und die Aromen schnell freigegeben werden. Einige wenige Schlehenkerne (max. 3) mit dem Hammer aufschlagen (Bittermandelaroma). Schlehen zusammen mit aufgeschnittener Vanilleschote oder zerbrochener Zimtstange in ein verschließbares Gefäß geben und mit dem Alkohol übergießen. 3 Wochen an einem warmen Ort bei Zimmertemperatur und von der Sonne geschützt ziehen lassen. Durch ein feines Sieb filtern und mit der abgekühlten Zuckerlösung mischen. Für die Zuckerlösung Wasser und Zucker 10 Minuten köcheln lassen und falls nötig abschäumen. Dann den Schlehen-Likör nochmals 3–4 Wochen an einem dunklen Ort z.B. im Keller lagern, damit ein harmonischer Geschmack heranreift. Aufgrund des Alkohol- und Zuckergehaltes ist der Likör nahezu unbegrenzt haltbar.

Die magische Medizin des Mittelalters

Die magische Zahl 3 spielt bei einem Heilzauber mit der Schlehenblüte eine wichtige Rolle. Die ersten 3 Schlehenblüten, die man im Frühling entdeckte, sollte man einer volksheilkundlichen Überlieferung nach essen, um für das ganze Jahr gegen Fieber geschützt zu sein. Dazu sprach man damals:

„Jetzt ess ich die ersten drei Schlehenblüten, dass ich das Fieber nicht krieg.“ [3]

Allerdings durfte man die Blüten nicht mit der Hand anfassen, sondern man musste sie mit dem Mund abbeißen. Falls Du den magischen Zauber ausprobieren willst: Sei vorsichtig, damit keine Dorne in der Nase steckt!

Hinweis: Für die innerliche Einnahme von Schlehe sind nach heutigem Erkenntnisstand weder Gegenanzeigen noch unerwünschte Wirkungen bekannt, auch keine Wechselwirkungen mit Medikamenten.

Hinweis: Für die Anwendung von Schlehdornblüten und Schlehdornfrüchten während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor. Eine Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit sollte daher prinzipiell nur mit ärztlichem Einverständnis erfolgen.

Mancher magische Zauber war sehr unappetitlich: Gegen Warzen spießte man eine Nacktschnecke an einen Schlehdorn und sprach folgende Beschwörung:

„Schneck, i tu di nit ins Grab, Büss di Lebe am Dorn do ab, Wenn di Lebe isch entflohn, sin mini Warze au davon.“ [3]

Dieser makabre Warzenzauber erinnert an den Vogel Neuntöter, der seine Beute für den späteren Verzehr ebenfalls auf die langen Dornen der Schlehe spießt. 

Und zum Schluss …

Die Schlehenfrüchte eignen sich wunderbar für die Wildkräuterküche, wenn man bei der Verarbeitung einige Dinge beachtet. Unserer Vorfahren nutzten Früchte und Blüten der Schlehe auch häufig in der Medizin. Es lohnt sich also bei Spaziergängen nach dem dornigen Strauch Ausschau zu halten.

Literatur

[1] Naehrwertrechner.de: Nährwerte Schlehe. Im Internet: https://www.naehrwertrechner.de/naehrwerte/F403011/Schlehe; Stand: 02.09.2022

[2] Varga E, Domokos E, Fogarasi E et al. [Polyphenolic compounds analysis and antioxidant activity in fruits of Prunus spinosa]. Acta Pharm Hung 2017; 87: 19–25. PMID: 29489094

[3] Beiser R. Geheimnisse der Hecken. Ulmer; 2019

Teilen

Das könnte Dir auch gefallen

  • Die Schlehe – eine vergessene alte Heilpflanze? - deutsche-heilpraktikerschule.de 16. April 2024 at 10:08

    […] Beiser, Rudi: Schlehe – wertvolle Wildfrucht für Mensch und Tier, https://heilpflanzen.thieme.de/2022/09/13/schlehe/ […]