Pflanzenheilkunde

Ängste lassen Dich nicht einschlafen? Dieses Heilpflanzen-Duo könnte helfen

4. April 2023
Baldrian Heilpflanze

Schlaf ist essenziell für unsere Gesundheit. Während der nächtlichen Ruhezeit regeneriert unser Organismus, regelmäßiger Schlaf kann sich damit sogar auf unsere Lebenserwartung positiv auswirken. Schlaf ist ein Luxus geworden. Insbesondere Ängste sorgen dafür, dass viele Menschen nicht ausreichend schlafen. Zwei bekannte Heilpflanzen könnten helfen.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 4 Minuten

Schlaf – ein oft nicht gestilltes Grundbedürfnis

„Unser tägliches Brot gib uns heute…“ – eine Zeile aus dem „Vater unser“, einem wichtigen christlichen Gebet. Nun leben wir in Zeiten, in denen hierzulande die meisten von uns ihr tägliches Brot haben. Und die meisten von uns können ihre Grundbedürfnisse stillen. Bis auf eines: den Schlaf. Das zeigt unter anderem ein DAK-Gesundheitsreport aus dem Jahr 2017. Nach der repräsentativen Studie schlafen rund 80 % der Arbeitnehmer*innen schlecht. Unter besonders schweren Schlafstörungen litt eine*r von 10 Arbeitnehmer*innen. Schlafmittel aus der Apotheke sind entsprechend stark nachgefragt. Rund die Hälfte der Betroffenen kauft sich – laut der DAK-Umfrage –, ohne ärztlichen Rat eingeholt zu haben, Schlafmittel ohne Rezept. [1] Dies kann wiederum zu Abhängigkeiten führen.

Hinweis: Schlafmittel solltest Du deshalb nur nach Absprache mit einer Ärztin oder einem Heilpraktiker einnehmen!

Was aber tun? Wir könnten uns einer Therapieform zuwenden, die bei Schlafstörungen traditionell schon lange angewandt wird: die Phytotherapie. Sie könnte Dir zum Beispiel helfen, wenn Ängste und Sorgen Dich wachhalten.

Warum Ängste das Einschlafen erschweren

Ängste halten uns wach. Das mag im Laufe der Evolution oft hilfreich gewesen sein. Wer sich zum Beispiel vor Tausenden von Jahren inmitten von Raubtieren trotz der unmittelbaren Gefahr für sein Leben eine ruhige Nachtruhe gönnte, dürfte geringe Überlebenschancen gehabt haben.

In unserer heutigen Gesellschaft haben wir oft weniger konkrete Ängste als unsere Vorfahren, und es entsteht aus dem Umstand, dass uns Ängste wachhalten, oft ein Teufelskreis. Die Ängste führen zu Schlafmangel. Der Schlafmangel wiederum kann die Ängste fördern. Die Ängste versetzen den Körper in Stress. Der Körper schüttet dann unter anderem aktivitätssteigernde Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin aus. Beruhigende Botenstoffe des Gehirns wie Serotonin und γ-Aminobuttersäure (GABA) sind bei Ängsten hingegen vermindert. Dies sind ungünstige Voraussetzung zum Einschlafen, insbesondere GABA ist für das Einschlafen wichtig. [2] Daher docken viele Schlafmittel an GABA-Rezeptoren an. Auch Heilpflanzen könnten günstige Auswirkungen auf die Gehirnchemie haben und unter anderem auf den GABA-Stoffwechsel wirken.

Zwei Heilpflanzen, die beim Einschlafen helfen könnten

Baldrian (Valeriana officinalis) ist die wohl am besten untersuchte Heilpflanze, die zur Behandlung von Schlafstörungen und Ängsten eingesetzt wird. In den bisherigen klinischen Studien zeigte sich eine Linderung von Ängsten und eine Vergrößerung von Schlafdauer und Schlaftiefe durch den Einsatz von Baldrian. Der dafür verantwortliche Wirkmechanismus ist noch nicht abschließend geklärt. Hier sollen Wechselwirkungen von Baldrianwirkstoffen mit GABA-Rezeptoren eine Rolle spielen. [3] Offizielle Monografien von ESCOP, Kommission E und HMPC befürworten den Einsatz der Baldrianwurzel bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen.

Auch Hopfen (Humulus lupulus) zeigt positive Wirkungen bei Schlafstörungen in Verbindung mit Ängsten. [3] Die schon lange traditionell zur Beruhigung eingesetzte Pflanze beeinflusst unsere Gehirnchemie auf verschiedenen Wegen. Unter anderem sollen Hopfenwirkstoffe ähnlich wie unser Schlafhormon Melatonin wirken. [4] Offizielle Monografien von ESCOP und Kommission E befürworten den Einsatz von Hopfen bei Unruhe, Angstzuständen und Schlafstörungen.

Hopfen Heilpflanze
Hopfen (Humulus lupulus) © nevodka.com/stock.adobe.com

Besonders die Kombination der beiden Heilpflanzen Baldrian und Hopfen scheint aussichtsreich. Bisherige Untersuchungen zeigten, dass beide kombiniert besser wirken als eine der Pflanzen alleine. [5][6] Das HMPC hat die Kombination von Hopfen und Baldrianwurzel in Form von Trockenextrakten mit dem Anwendungsgebiet zur Besserung von Schlafstörungen als medizinisch anerkannt eingestuft.

Baldrian und Hopfen gemeinsam einsetzen

Auf dem Markt sind verschiedene Präparate erhältlich, die Baldrian und Hopfen erhalten. Am besten Du lässt Dich diesbezüglich in einer Apotheke beraten. Die beiden Pflanzen können auch als Tee angewandt werden. Leider lassen sich beide Pflanzen – wie mir meine Zeit als Apothekenmitarbeiter lehrte – sehr schlecht mischen. Die schweren Wurzelstücke des Baldrians (Valerianae radix) sinken rasch nach unten in der Teepackung, wenn sie mit den sehr leichten Hopfenzapfen (Lupuli strobulus) vermengt werden. Letztere streben nach oben in der Tüte. Die Lösung: Kaufe von beiden Pflanzen je eine Tüte, und zwar 50 Gramm Baldrianwurzel (Valerianae radix) und 20 Gramm Hopfenzapfen (Lupuli strobulus) und mische beide jeweils direkt vor der Zubereitung.

Tee mit Baldrian und Hopfen

Zutaten

  • 50 g Baldrianwurzel (Valerianae radix)
  • 20 g Hopfenzapfen (Lupuli strobulus)

Zubereitung

Du überbrühst Dir 2-mal tgl. (am besten nachmittags und abends) je 1 TL Baldrianwurzel und Hopfenzapfen zusammen mit ¼ Liter siedendem Wasser und lässt den Tee zugedeckt 15 Minuten lang ziehen.

Bitte beachten: Es sind für beide Pflanzen nach heutigem Wissensstand weder Gegenanzeigen noch Wechselwirkungen bekannt. Es ist jedoch nicht ganz auszuschließen, dass Hopfenzapfen und Baldrianwurzeln die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, insbesondere bei Menschen mit ausgeprägter Tagesmüdigkeit. Aus diesem Grund meine generelle Empfehlung: bis zu 2 Stunden nach Einnahme der Heilpflanzen nicht Auto fahren!

Wenn Dich Ängste nicht schlafen lassen: frühzeitig ärztlichen Rat einholen!

Erste Anlaufstelle bei Einschlafstörungen und Ängsten ist die hausärztliche Praxis. Suche diese spätestens nach 4 Wochen anhaltenden Schlafstörungen auf. Während dieser Zeit muss Dir das Einschlafen nicht jede Nacht schwergefallen sein. Wenn Du in den 4 Wochen an mindestens 4 Tagen in der Woche länger als 30 Minuten zum Einschlafen benötigst, ist das Grund für einen Besuch der hausärztlichen Praxis.

Und zum Schluss

Viele Heilpflanzen finden bei Schlafstörungen Anwendung. Dazu zählen zum Beispiel die Melisse (Melissa officinalis) oder der Lavendel (Lavandula angustifolia). Wenn Ängste den Schlaf erschweren, haben sich besonders Hopfen und Baldrian verdient gemacht. Diese beiden Heilpflanzen könntest Du nach ärztlicher Absprache in Form von Präparaten oder eines Tees zu Dir nehmen.

Literatur

[1] Storm A, Hrsg. Gesundheitsreport 2017 (März 2017). Im Internet: https://www.dak.de/dak/download/gesundheitsreport-2017-2108948.pdf; Stand: 23.01.2023

[2] Bragantini D, Sivertsen B, Gehrman P et al. Differences in anxiety levels among symptoms of insomnia. The HUNT study. Sleep Health 2019; 5: 370-375. DOI: 10.1016/j.sleh.2019.01.002

[3] Borrás S, Martínez-Solís I, Ríos JL. Medicinal Plants for Insomnia Related to Anxiety: An Updated Review. Planta Med 2021; 87: 738-753. DOI: 10.1055/a-1510-9826

[4] Brattström A. Scientific evidence for a fixed extract combination (Ze 91019) from valerian and hops traditionally used as a sleep-inducing aid. Wien Med Wochenschr. 2007; 157: 367-70. DOI: 10.1007/s10354-007-0442-6

[5] Koetter U, Schrader E, Käufeler R et al. A randomized, double blind, placebo-controlled, prospective clinical study to demonstrate clinical efficacy of a fixed valerian hops extract combination (Ze 91019) in patients suffering from non-organic sleep disorder. Phytother Res 2007; 21: 847-851. DOI: 10.1002/ptr.2167

[6] Dimpfel W, Suter A. Sleep improving effects of a single dose administration of a valerian/hops fluid extract–a double blind, randomized, placebo-controlled sleep-EEG study in a parallel design using electrohypnograms. Eur J Med Res 2008; 13: 200-204


Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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