Unsere Angst ist eine wichtige Emotion, sie mobilisiert unsere Energien in bedrohlichen Situationen. Im Rahmen einer Angststörung tritt sie jedoch auch in harmlosen Momenten auf und kann Alltag und Wohlbefinden stark beeinträchtigen. In der Phytotherapie ist der Echte Lavendel eine interessante therapeutisch unterstützende Option.
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Wer unter einer Angststörung leidet, hat nicht nur in bestimmten Situationen Angst. Betroffene fühlen sich die meiste Zeit angespannt, ihr Denken ist von Befürchtungen, Sorgen und katastrophisierenden Gedanken geprägt. Angst bestimmt ihren Alltag. Und da Angst den Körper in Aufruhr versetzt, berichten Betroffene von Herzrasen und Kurzatmigkeit. Weitere typische körperlichen Beschwerden können Zittern, Muskelverspannungen, starkes Schwitzen oder Benommenheit sein. Die ständige Alarmbereitschaft des Körpers verbraucht viel Energie. So sind körperliche und geistige Erschöpfung oft Begleiter von Angststörungen.
Aufgrund der Diagnosekriterien unterscheiden wir zwei verschiedene Angststörungen.
- Die sogenannte subsyndromale Angststörung ist eine häufig auftretende und oft nicht ausreichend behandelte Erkrankung, geschätzt leiden bis zu 10 % der Bevölkerung darunter. Die Betroffenen sind durch Ängstlichkeit und Unruhe in ihrem Alltag sowie Wohlbefinden eingeschränkt, erfüllen aber noch nicht alle diagnostischen Kriterien der generalisierten Angststörung (GAD).
- Die generalisierte Angststörung wird im Gegensatz zur subsyndromalen häufiger erkannt und kann daher besser behandelt werden. Schätzungen zufolge erhalten etwa 5 % aller Menschen im Laufe ihres Lebens diese Diagnose. Dafür müssen die Ängste mindestens 6 Monate lang andauern, unkontrollierbar sein und den Alltag der Betroffenen stark einschränken.
Wenn bei Dir keine Angststörung diagnostiziert worden ist und Dich aber dennoch ständig angespannt und ängstlich fühlst, dann solltest Du einen Arzt aufsuchen, um diese Beschwerden abklären zu lassen. Denn eine Angststörung ist eine ernste Erkrankung!
Wenn Du über einen Zeitraum von wenigen Wochen Symptome wie Ruhelosigkeit, leichte Ermüdbarkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit und Ängstlichkeit an Dir bemerkst, solltest Du ebenfalls dringend mit einem Arzt oder einer Psychotherapeutin darüber sprechen.
Wenn Du eine Panikattacke erlebst, solltest Du sofort einen Arzt aufsuchen. Es handelt sich dabei um eine vorübergehende Phase von intensiver Angst mit meist starken und für die Betroffenen beunruhigenden körperlichen Beschwerden wie Herzrasen und Beklemmung. Manchmal können die Symptome auch denen eines Herzinfarktes zum Verwechseln ähneln.
Zur Behandlung beider Angststörungen werden Psychotherapie, Entspannungsverfahren wie autogenes Training und angstlösende Medikamente eingesetzt.
Immer häufiger sind jedoch auch Arzneien aus Pflanzen Teil des Behandlungskonzeptes bei Angststörungen, insbesondere solche aus Echtem Lavendel (Lavandula angustifolia). Er zählt zur Gattung Lavendel innerhalb der Familie der Lippenblütler.
Wie Du den Echten Lavendel von nahen und auch heilkräftigen Verwandten unterscheiden kannst, kannst Du im Beitrag von Rudi Beiser, Lavendel – der Sommerduft der Provence, nachlesen. Im folgenden Beitrag ist mit Lavendel stets der Echte Lavendel gemeint.
Signatur des Lavendels
Der Lavendel besitzt viele kleine Blätter. Eine geringe Blattgröße bietet Vorteile für Pflanzen: Sie verlieren weniger Wasser durch Verdunstung und bieten auch weniger Angriffsfläche für Wind und Witterung.
Ein schönes Symbol für uns: Wenn der Sturm der Emotion Angst in uns tobt, wäre es schön, ihm wenig Angriffsfläche zu bieten, sodass er uns zwar berührt, aber nicht innerlich komplett durcheinanderwirbelt.
Als ein möglicher Verweis auf die beruhigende Wirkung des Lavendels gilt für mich auch die violette Farbe seiner Blüten: Violett zählt zu den beruhigenden Farben.
So wirkt Lavendel bei Ängsten
Gegen Ängste ist das ätherische Öl des Lavendels mit seinen Hauptkomponenten Linalylacetat und Linalool wirksam. Letzteres wirkt an sogenannten Kalzium-Kanälen der Nervenzellen im Gehirn. Linalool reduziert den Einstrom von Kalzium in diese Nervenzellen, wodurch wiederum ihre Erregbarkeit sinkt [1]. Dadurch sondern sie weniger Botenstoffe wie Glutamat oder Noradrenalin ab, die bei Ängsten für Erregung und Anspannung sorgen [2].
Erfolge in klinischen Studien
Lavendel zählt zu den wenigen Pflanzen, bei denen eine solide klinische Forschung vorliegt. Das heißt: Die Pflanze wurde in verschiedenen aussagekräftigen, placebokontrollierten Studien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet. Bezüglich der Wirkung bei Ängsten sind die bisherigen klinischen Studien bereits in Metaanalysen ausgewertet worden. Metaanalysen bewerten und vergleichen klinische Studienergebnisse. Eine Metaanalyse schrieb dem Lavendelöl positive Wirkungen bei der subsyndromalen Angststörungen zu [3]. Eine weitere Metaanalyse untersuchte die Wirkung von Lavendelöl bei der generalisierten Angststörung. Auch hier zeigte sich eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit [4].
Die Monografien von ESCOP, Kommission E und HMPC befürworten den Einsatz von Lavendel bei Erregungszuständen, Schlafstörungen und Unruhe. Angststörungen sind in den Monografien noch nicht eingeführt. Die Anwendung von Lavendel bei Angststörungen erfolgt daher aufgrund der positiven Ergebnisse in Studien und der bisherigen guten praktischen Erfahrung.
So kann Lavendel bei Angststörungen angewendet werden
Vorsicht! Egal ob bei Dir eine diagnostizierte Angststörung vorliegt oder nicht: Die nachfolgenden Anwendungsempfehlungen sind keine Empfehlungen zur Selbstbehandlung! Eine Behandlung mit Lavendel darf nur nach Rücksprache mit Deinem behandelnden Arzt und dessen ausdrücklicher Zustimmung erfolgen. Erzähl ihm von den Möglichkeiten des Lavendels, wende ihn aber nicht ohne seine Zustimmung an!
Am wirksamsten bei Ängsten ist das reine ätherische Öl der Pflanze. Für die innerliche Einnahme sind entsprechende Arzneimittel in den Apotheken erhältlich. Bei diesen Arzneimitteln ist der Lavendelextrakt standardisiert, das heißt die Hauptwirkstoffe sind in einer festgelegten Konzentration enthalten. Die innerliche Einnahme von Lavendel-haltigen Arzneimitteln finde ich die beste Option bei Angststörungen.
Auch die äußerliche Anwendung des Lavendelöls ist sinnvoll. Für die äußerliche Anwendung ist die Inhalation zu empfehlen. Schon allein der Geruch des Lavendelöls kann nämlich beruhigen und Ängste lösen.
Damit Du den Duft immer bei Dir hast, sind im Handel erhältliche Riechsticks für ätherische Öle eine gute Option. Einen Riechstick befüllst Du mit 3 Tropfen des ätherischen Lavendel-Öls. Immer wenn Du Dich unruhig fühlst, kannst Du den Duft des Lavendels mithilfe des Reichsticks einatmen. Er kann neu befüllt werden, sobald das Aroma verflogen ist.
Für die abendliche Entspannung ist ein Kissenspray mit Lavendel und Blutorange eine interessante Option. Wie Du ein solches herstellst, erfährst Du im Beitrag von Ruby Nagel Kissenspray mit Blutorange und Lavendel zum Selbermachen.
Hinweis: Lavendel kann weder innerlich noch äußerlich angewendet eine schulmedizinische oder psychologische Behandlung der Angststörungen ersetzen. Er ist reine Ergänzung.
Und zum Schluss
Ätherisches Lavendelöl ist die am besten untersuchte phytotherapeutische Option bei Ängsten und Angststörungen. Es ist jedoch kein Ersatz für eine schulmedizinische oder psychologische Behandlung von Angststörungen, kann diese aber gut ergänzen. Aufgrund der guten Studienlage sind Ärzte und Psychotherapeutinnen meist offen für diese Option. Wenn Du an einer Angststörung leidest, ist deren ergänzende Behandlung mit Lavendel vielleicht ein guter Punkt für das nächste therapeutische Gespräch.
Literatur
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.