Historisches

Was sind eigentlich Rauhnächte?

8. Dezember 2023
Räuchern

Was sind eigentlich die Rauhnächte? Könnten sie etwa mit Räuchern zu tun haben? Gehören sie zu Weihnachten, oder sind sie doch eher etwas Heidnisches? Vielleicht sind Rauhnächte auch aus einem Horrorfilm? Wir wollen uns anschauen, woher dieser Brauch stammt und welche ursprüngliche Bedeutung dahintersteckt.

Rudi Beiser

Lesezeit: 4 Minuten

Rauhnächte – 12 besondere Nächte!

Die Rauhnächte sind 12 um den Jahreswechsel gelegene Nächte, die im europäischen Winterbrauchtum eine besondere Bedeutung haben. In manchen Regionen nennt man sie einfach nur „die Zwölf Nächte“. Anderswo heißen sie auch „Rauchnächte“, „Raunächte“ oder „Glöckelnächte“.

Der Zeitraum, den sie markieren, ist von Region zu Region unterschiedlich: Sehr häufig werden und wurden „die Zwölf“ in die Zeit zwischen dem 24. Dezember und 6. Januar datiert.

Aller Anfang liegt im Dunkel!

Bei unseren germanischen und keltischen Vorfahren begann der Tag mit der Nacht, was bedeutet, dass der nächste Tag nicht erst um Mitternacht begann, sondern mit dem Eintritt der Nacht. Die ursprüngliche Zeitrechnung schloss die Nacht in den darauffolgenden Tag mit ein.

Im oben genannten Zeitraum ist die erste Rauhnacht Heiligabend, die Nacht vor Weihnachten, die früher als die erste Hälfte des Weihnachtstages (25.12.) begriffen wurde. Die zwölfte Rauhnacht ist daher die Nacht auf den 6. Januar.

Manchmal wurden die 12 Nächte auch anderen Zeiträumen zugeordnet: von der Wintersonnwende (21.12.) bis zum Vorabend des 1. Januar. Die erste Rauhnacht war dann die Nacht auf den 21. Dezember (Thomasnacht) und endete in der Silvesternacht.

In früheren Zeiten begannen die Rauhnächte schon in der Folgenacht des 13.12. (Luziatag) und endeten am Heiligabend (24.12). Bis 1582 galt der Julianische Kalender, der allerdings ungenau war. Es gab über die Jahrhunderte eine immer größere Differenz zwischen dem tatsächlichen Sonnenstand und dem Kalendersystem. 1582 war die Differenz bereits auf 10 Tage angewachsen, sodass Papst Gregor diese Differenz schließlich korrigieren ließ (sogenannte Gregorianische Kalenderreform). Die tatsächliche Wintersonnwende (längste Nacht) war damals am 13.12.  

Eine Zeit zwischen den Jahren

Ihren Ursprung haben die Rauhnächte in zwei unterschiedlichen Kalendersystemen – dem bis in die Steinzeit zurückreichenden Mondkalender, sowie dem Sonnenkalender. Dieser löste vor 2000 Jahren unter Julius Cäsar endgültig den Mondkalender ab.  Das alte Mondjahr hatte jedoch nur 354 Tage, während das neue Sonnenjahr 365 Tage umfasste. Die Differenz sind genau 11 Tage beziehungsweise 12 Nächte – die Rauhnächte, die diese Differenz ausglichen. Deshalb spricht man auch von der „Zeit zwischen den Jahren“ oder von „Zwischennächten“.

Wie das Brauchtum rund um die Rauhnächte entstand

Diese Nächte zählten weder zum alten noch zu neuen Jahr, sondern repräsentierten für die Menschen damals eine magische Zwischenzeit, in der alles stillstand und die Tore in andere Welten geöffnet waren. Diese Nächte waren sogar die Namensgeber für Weihnachten – das „Fest zu den geweihten Nächten“.

Die bedeutsamen zwölf Weihe-Nächte waren für Weissagungen aller Art geeignet, beispielsweise Wetter- und Liebesorakel. In den Zwölf Nächten, so glaubten unserere Vorfahren, seien Dämonen, Geister und die Seelen der Verstorbenen besonders aktiv. Vermutlich steckt die germanische Vorstellung der „Wilden Jagd“ dahinter. Diesen durch die Lüfte jagenden Seelenscharen brachte man Speiseopfer dar: Äpfel und Nüsse wurden im Kaminfeuer geopfert, Mehl wurde in die Luft geworfen, Milchschalen vor die Ställe gestellt und Kuchen aufs Hausdach gelegt. Speisen und Getränke, die an den Tagen auf den Tisch kamen, blieben nach dem Mahl stehen und die Tür zur Speisekammer unverschlossen. In den Schlafkammern wurde ein Bett freigehalten. Die Zwölf Nächte waren ursprünglich eine wichtige Zeit des Ahnengedenkens.

An diesen überlieferten Bräuchen kann man sehen, dass der Besuch der Ahnen und Geister durchaus erwünscht war und dass man sich von ihnen Segen erhoffte.

In den Rauhnächten wird geräuchert

Über die Bedeutung des Namens wird nach wie vor gestritten. Die Wörter „rau“ und „rauch“ bedeuteten früher auch „haarig“ oder „pelzig“. Das könnte ein Hinweis sein auf die in Fell gekleideten dämonischen Wesen (Perchten, Krambuse), die in den Winternächten ihr Unwesen trieben.

Eine andere Herleitung könnte in der Verbindung zum Räuchern begründet sein. Denn in den Rauhnächten oder Rauchnächten wurde traditionell geräuchert. Die drei Haupträuchernächte waren die Thomasnacht (= Wintersonnwende), Heiligabend (= Vorabend vor Weihnachten) und Silvester (= Vorabend vor Neujahr). Manchmal räucherte man auch in allen zwölf Nächten.

Die Rauhnächte galten ja als magische Übergangszeit, in der es eines besonderen Schutzes bedurfte. Denn dem Glauben nach war in dieser Zeit die Tür zum Jenseits weit geöffnet, und die Seelen der Ahnen, aber auch dämonische Wesen waren unterwegs in der Menschenwelt.

Das Räuchern diente daher nicht nur als Opferritual für die Geistwesen, sondern war auch ein Schutzritual, das alles Böse und jegliches Unheil fernhalten sollte.

„Es ist kein Haus, in dem man nicht in den zwölf Nächten zwischen Weihnacht und dem heiligen Dreikönigstag Weihrauch macht gegen alle Teufelsgespenster und Zauberei.“

Sebastian Franck (1499–1542), Theologe und Schriftsteller

Dieses Zitat zeigt, dass Räucherungen vorwiegend der Abwehr des Bösen dienten. In vorchristlicher Zeit dienten sie jedoch vor allem zum Anlocken von Ahnengeistern und zur Freude und Ehre der Götter und Göttinnen.

Mit einer Glutpfanne ging die Familie räuchernd durch alle Räume des Hauses sowie durch Hof und Stall. Mit dem Spruch „Glück ins Haus, / Unglück hinaus!“ wurden die bösen Geister des alten Jahres vertrieben und die guten Geister angelockt. Die Räucherungen wurden meist mit Tannen- und Fichtenharzen sowie mit Beifuß, Eibe und Wacholder ausgeführt. „Eibenlaub und Kranawitt, / ja des will der Daifel nit.“ heißt es in einem alten Spruch –Kranawittist übrigens ein alter Name des Wacholders, den Teufel nannte man auchDaifel

Mit der Christianisierung kamen die exotischen Harze Weihrauch und Myrre hinzu, die aus dem israelitischen Tempelkult übernommen wurden.

Wann sind die Rauhnächte?

Die Rauhnächte werden und wurden ganz unterschiedlich gefeiert. Grundsätzlich liegen sie im Zeitraum zwischen dem 13. Dezember (Tag der Heiligen Luzia) und dem 6. Januar (Heilige Drei Könige). Zu beachten ist, dass in der alten Zeitrechnung der Tag mit der davorliegenden Nacht begann. So war z.B. die Silvesternacht die erste Hälfte des Neujahrtags (1. Januar). Historisch belegt sind für die 12 Nächte folgende Zeiträume: 

  • 13./14.12. bis 24./25.12. 
  • 20./21.12. bis 31.12./1.1.  
  • 25./26.12. bis 4./5.1.

Gefeiert wurde jeweils in der zwischen den Tagen liegenden Nacht.

Heute wird seltener in zwölf aufeinanderfolgenden Nächten geräuchert. Meist werden 3 oder 4 wichtige Nächte aus der Winterzeit herausgegriffen, und oft bezeichnet man auch ausschließlich diese Nächte als Rauhnächte:

  • Thomasnacht (Nacht auf den 21.12.)
  • Heiligabend (Nacht auf den 25.12)
  • Silvester (Nacht auf den. 1 Januar)
  • Nacht vor Heilige Drei Könige (Nacht auf den 6. Januar)

Rauhnächte heute?

Die dunkelste Zeit des Jahres war früher mit viel Brauchtum und Ritualen gefüllt. Auch die Kirche hat das Geburtsfest Christi bewusst mitten in diese Zeit gelegt. Du kannst Dich von den alten Bräuchen inspirieren lassen oder neue eigene Rituale entwickeln.

Eine Möglichkeit ist auf jeden Fall das Räuchern. Es kann helfen, Vergangenes loszulassen und sich Neuem zuzuwenden. Es kann im Sinne unserer Vorfahren eine Verbindung zu den Ahnen oder gar zum Göttlichen erleichtern.  Besonders Kinder kannst Du mit weihnachtlichen Räucherritualen begeistern. Es ist eine schöne Vorbereitung, mit ihnen im stillen Winterwald an den Nadelbäumen Harze für das Räuchern zu sammeln. Dabei könnt Ihr auch andere Weihnachts-Symbole sammeln, beispielsweise Stechpalme und Tannenzweige.

Zum Räuchern wird Räucherkohle auf einer feuerfesten Unterlage oder auf Räuchersand in einer klassischen Räucherschale angezündet. Sobald die Kohle weiß glüht, kannst Du die Harze und Kräuter darauflegen. Alternativ kannst Du ein Räucherstövchen benutzen, wo die Räucherware auf einem feinmaschigen Sieb direkt über der Kerze aufgelegt wird. Diese Variante hat eine dezentere Rauchentwicklung zur Folge.

Hinweis: Räuchere niemals ohne Anleitung durch eine im Räuchern ausgebildete fachkundige Person bzw. nur, wenn Du selbst eine fundierte und fachkundige Ausbildung im Räuchern durch solche eine Person erfahren hast. Denn bei unsachgemäßer Anwendung kann das Räuchern gesundheitsschädlich und -gefährdend sein!

Und zum Schluss …

Die Rauhnächte gehören zum uralten Winterbrauchtum. Die Zwölf Nächte „zwischen den Jahren“ galten einst als magische Zeit, in der ein Zugang zur Welt der Ahnen und Geistwesen möglich war. Das Räuchern spielte in diesen Nächten eine besondere Rolle. In der magischen Weihnachtszeit bietet es sich an, dass Du einen Blick auf die alten Rituale wirfst und vielleicht selbst ein Räucherritual durchführst.

Literatur

[1] Beiser R. Kraft und Magie der Heilpflanzen. 3. Aufl. Stuttgart: Ulmer; 2023

[2] Beiser R. Baum und Mensch Stuttgart: Ulmer; 2017

[3] Bächthold-Stäubli H (Hrsg).Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens. Berlin: Walter de Gruyter; 1987

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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