Historisches

Galenos von Pergamon (129–199 n.Chr.): Methodus medendi und Corpus Galenicum

8. Dezember 2023
Historische Bücher

Papyrus Ebers, Lorscher Arzneibuch, New Kreuterbuch? Bekannt! Hippokrates von Kos, Dioskurides, Walahfrid Strabo? Natürlich auch! Was aber wissen Sie über diese Werke oder ihre Verfasser denn tatsächlich? Kurze und übersichtliche Zusammenfassungen lesen Sie hier. Immer freitags! Denn wir haben da mal was zusammengestellt …

Iris Eisenmann-Tappe

Der Arzt Galen gilt noch vor Hippokrates als der wichtigste antike Wegbereiter der europäischen Medizin. Der Name Galenos bedeutet übersetzt „der Sanfte, der Heitere“. Das traf wohl seinen Charakter nicht besonders gut. Sein Genius und seine starke Persönlichkeit ließen ihn zum bedeutendsten römischen Mediziner seiner Zeit werden und er scheint sich selbst auch dahingehend eingeschätzt zu haben: seine Zeitgenossen beschrieben ihn als bissig, und sein Werk ist gespickt mit Polemik gegen andere Ärzte und durchaus auch mit Selbstlob.

Schon früh interessierte sich Galen besonders für Anatomie, und er nahm medizinischen Unterricht bei berühmten Ärzten in Alexandria. Dieses Zentrum der Wissenschaften mit seiner riesigen Bibliothek war der einzige Ort, an dem in der damaligen Zeit Untersuchungen an Leichen durchgeführt werden durften. Galen beschäftigte sich intensiv mit Tiersektionen und Skeletten. Als er mit 28 Jahren nach Pergamon zurückkehrte, befähigten ihn seine Kenntnisse, verletzte Athleten der Olympischen Spiele und schwerverwundete Gladiatoren so erfolgreich zu behandeln, dass er als berühmter Arzt eine gut gehende Praxis führen konnte. Dennoch entschloss er sich 161 n. Chr., nach Rom zu gehen. Aufgrund spektakulärer Heilerfolge wurde er dort zum prominenten Arzt der römischen Aristokratie.

Die Hippokratische Lehre war die einzige Medizinphilosophie, die vor Galens kritischen Augen Gnade fand, und er verschaffte ihr eine Renaissance. Er überarbeitete die Materia medica des Dioskurides, indem er sie alphabetisch sowie nach Anwendungsgebieten ordnete. Er vervollkommnete das humoralpathologische Medizinsystem, indem er die Viersäftelehre mit den vier Primärqualitäten (warm-kalt, feucht-trocken) und den vier Geschmacksqualitäten in Verbindung brachte. Seine anatomischen Kenntnisse und Praxiserfahrungen, die Ethik der Hippokratischen Lehre und die Humorallehre wurden von ihm zu einem medizinischen Gesamtsystem vereinigt, das den zeitgenössischen Ärzten eine einheitliche Methodik für Diagnose, Prognose und Therapie an die Hand gab.

Zur Verbreitung seiner Heilmethoden hielt Galen Vorträge, führte öffentlich Tiersektionen durch und hinterließ ein umfangreiches schriftliches Werk. Er soll um die zwanzig Schreiber beschäftigt haben, um Studenten und der Nachwelt sein Wissen weiterzugeben: „Wenn aber jemand gleichfalls durch Taten, nicht durch kunstvolle Reden berühmt werden will, der braucht nur mühelos in sich aufzunehmen, was von mir in eifriger Forschung während meines ganzen Lebens festgestellt wurde.“

Obwohl Galen kein Christ war, wird aus vielen Textstellen deutlich, dass er an nur einen Gott glaubte und den Körper als Instrument der Seele betrachtete. Dies erklärt die Anerkennung seiner Autorität durch die christliche Kirche wie auch die Bewahrung seines medizinischen Vermächtnisses durch die arabischen und hebräischen Gelehrten über die folgenden Jahrhunderte hinweg. Noch heute bezeichnen wir als Galenik die Lehre von der Zubereitung von Arzneistoffen zu bestimmten Arzneiformen (z. B. als Tablette, Salben, Suppositorien, Arzneimittelkomposita usw.). Damit wird Galen geehrt, der die Medikamente erstmals nach einem komplexen System einteilte. Seine Pulslehre, die 27 Pulsarten beschrieb, findet sich heute noch in Ansätzen in der Praxis: die bekannten Begriffe Pulsus magnus, parvus, tardus, celer et altus stammen von Galen. Erst mit Paracelsus, der die Humoralpathologie ablehnte, und schließlich durch die Aufdeckung seiner anatomischen Irrtümer, z.B. nach Entdeckung des Blutkreislaufs durch William Harvey und Marcelo Malpighi im 17. Jahrhundert, verlor Galens systematisches Medizinkonzept allmählich an Bedeutung. Seine Stellung als herausragender Mediziner bleibt unangefochten.

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