Pflanzenheilkunde

Ein mediterraner Tee gegen Winterblues

7. November 2023
Trüber Herbsttag

Nicht gerade einladend: Die Tage sind kurz und trüb, die Temperaturen niedrig. Wenn der Winter unsere Stimmung drückt, wäre ein Kurzurlaub am Mittelmeer genau richtig. Phytotherapeutisch lässt sich der Wunsch schnell erfüllen. Diverse mediterrane Arzneipflanzen sind meiner Erfahrung nach bei Winterblues eine gute Wahl.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 4 Minuten

Winterblues: Wie der Lichtmangel zum Stimmungstief führt

Die Tage werden kürzer, das Licht nimmt ab. Ist der Sommer vorbei, lässt sich die Sonne immer seltener blicken und ist nicht mehr so intensiv. Das kann sich auf das Gemüt niederschlagen, denn Sonnenlicht beeinflusst unsere Körperchemie. Unter anderem veranlasst das Licht des Tages unseren Körper dazu, das Hormon Melatonin abzubauen, das uns müde macht. Haben wir weniger Stunden mit Licht zur Verfügung, wird weniger Melatonin abgebaut – wir sind insgesamt mehr müde.

Die UV-Strahlung der Sonne ist zudem ein wichtiger Faktor für die Vitamin-D-Produktion in unserem Körper. Dieses Vitamin D, das eigentlich ein Hormon ist, erfüllt verschiedene Aufgaben und beeinflusst unter anderem auch unsere Stimmung, denn es ist auch für die Bildung anregender Botenstoffen wie Dopamin und Serotonin verantwortlich. Produziert unser Körper auf Grund des mangelnden Lichtes zu wenig Vitamin D, kann dies Stimmungstiefs und das Auftreten von Depressionen begünstigen [1].

Deshalb leiden viele unter saisonal bedingten Stimmungstiefs. Betroffene berichten über Antriebsschwäche, Energielosigkeit oder gedrückter Stimmung, ziehen sich dann zurück und fühlen sich schnell überfordert. Typischerweise ist der Appetit – im Unterschied zu saisonal unabhängigen depressiven Verstimmungen – gesteigert. Betroffene haben Verlangen nach Süßem und nehmen nicht selten an Gewicht zu.

Die leichte Form des winterlichen Stimmungstiefs nennt man Winterblues. Sie tritt im Gegensatz zur tatsächlichen Depression eher tageweise auf und die Symptome sind nicht so sehr ausgeprägt. Halten die Beschwerden an und sind sie so gravierend, dass beispielsweise Betroffene auf Grund der Antriebsschwäche das Bett nicht mehr verlassen, oder ist der soziale Rückzug so sehr ausgeprägt, dass der Kontakt zu Freunden oder Familie nicht mehr stattfindet, sind das Zeichen für eine schwere Depression, die dringend in die Hände eines Arztes gehört und einer Therapie bedarf. Man spricht dann nicht mehr von einer Winterdepression.

Die Grenzen zwischen Winterblues und Winterdepression sind fließend, und eine genaue Abgrenzung und Diagnose muss durch einen Arzt oder die Ärztin erfolgen. Entdeckst Du die oben beschriebenen Symptome, solltest Du auf jeden Fall Deinen Hausarzt konsultieren – auch wenn die Symptome in milder Form bei Dir vorliegen. Ob es sich um eine Depression oder eine Wintertief handelt, kann nur ein Arzt differenzieren!

Ganz gleich ob ein Winterblues oder eine Depression: Sobald auch Suizidgedanken auftreten, solltest Du umgehend mit einem Arzt oder einem Psychologen darüber sprechen. Bleib damit nicht allein und behalte Deine Gedanken nicht für Dich! Für eine unmittelbare Hilfestellung sind auch Telefonseelsorgen eine gute Option, zum Beispiel die überkonfessionelle Telefonseelsorge (Rufnummer: 116 123). Eine weitere Orientierung über verschiedene Angebote für Betroffene, Angehörige und Freunde zum Thema bietet die Webseite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention DGS .

Mit Pflanzenkraft gegen die schlechte Stimmung

Wo wir im Winter gerne wären, da kommen sie her: die Heilpflanzen des Mittelmeers. Die mediterrane Arzneiflora zeichnet sich vor allem durch ihre reichhaltigen ätherischen Öle aus. Deren wirksame Inhaltsstoffe können meist problemlos die Blut-Hirn-Schranke überwinden und könnten damit Einfluss auf unser Gehirnaktivität und damit auch auf unsere Stimmung nehmen. Meiner Erfahrung nach sind einzelne Vertreter eine gute Wahl bei Winterblues.

Rosmarin (Rosmarinus officinalis)

Das ätherisches Öl des Rosmarins regt die Bildung des anregenden Botenstoffs Dopamin im Gehirn an. © Yukari Ueno /stock.adobe.com

Er ist im Winter eine beliebte Pflanze, denn er durchwärmt den Organismus und verfügt über antivirale und antibakterielle Wirkstoffe. Dass Rosmarin auch stimmungsaufhellend wirken könnte, zeigen bisher zwei klinische Studien. Verantwortlich hierfür könnte vor allem sein ätherisches Öl sein, das zum Beispiel die Bildung des anregenden Botenstoffs Dopamin im Gehirn stimuliert. Zusammen mit der Rosmarinsäure hemmt der Inhaltsstoff 1,8-Cineol des ätherischen Öls auch den Abbau des Botenstoffs Acetylcholin, der unter anderem unsere Aufmerksamkeit fördert [2].  Auf Grund seiner durchwärmenden Eigenschaften erwähne ich den Rosmarin auch in meinem Beitrag Zimt und Rosmarin können Dir beim Heizkosten sparen helfen .

Fenchel (Foeniculum vulgare)

Fenchel
Vermutlich sind die ätherischen Öle für die stimmungsaufhellende Wirkung des Fenchels verantwortlich. © Rhönbergfoto/stock.adobe.com

Seine Früchte sind in den Wintermonaten vor allem wegen ihrer schleimlösenden Eigenschaften beliebt. In der Volksheilkunde gelten die Fenchelfrüchte auch als leicht stimmungsaufhellendes Mittel. Erste Tierstudien lassen eine stimmungsaufhellende Wirkung für das ätherische Öl der Fenchelfrüchte vermuten [3].

Bitterorange (Citrus × aurantium)

Der in der Bitterorange enthaltene Hauptinhaltsstoff Limonen fördert die Serotoninbildung. © Elena/stock.adobe.com

Die Orange ist das typische Obst der Winterzeit. Sicher kennst Du den Effekt: Beim Schälen der Orange beginnt der Raum zu duften, wenn das in der Schale gespeicherte ätherische Öl freigesetzt wird. Dessen Hauptinhaltsstoff ist Limonen. Dieser Stoff hat diverse Wirkungen in unserem Gehirn. Er fördert die Bildung des stimmungsaufhellenden Serotonins und von sogenannten Glukokortikoid-Rezeptoren. Sind diese ausreichend vorhanden, kann der Körper ein erhöhtes Stresslevel schneller und effektiver senken [3].

In der Phytotherapie spielt die Schale der Bitterorange eine Rolle. Ich schätze sie sehr, da sie neben Limonen auch noch den bitteren Wirkstoff Naringin enthält. Dieser wirkt wie andere Bitterstoffe tonisierend, vor allem auf den Verdauungstrakt. Das könnte meiner Erfahrung nach den gesteigerten Appetit in den Wintermonaten regulieren.

Ein Blick in die Monografien

Die Anwendung der drei erwähnten Pflanzen bei Winterblues befürworte ich aufgrund der Erkenntnisse der Erfahrungsheilkunde und meinen eigenen Erfahrungen in der Praxis. Die Indikation Winterblues findet sich nicht in den offiziellen Arzneipflanzen-Monografien.

Mediterraner Tee gegen Winterblues

Zutaten

  • 50 g Rosmarinblätter (Rosmarini folia)
  • 60 g Fenchelfrüchte, gestoßen (Foeniculi fructus contusus)
  • 70 g Bitterorangenschale (Aurantii amari pericarpium)

Zubereitung/Dosierung

2- bis 3-mal täglich 1 EL der Mischung mit 250 ml heißem Wasser übergießen, den Aufguss zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen, abseihen und vor den Mahlzeiten trinken.

Tipp: Kein siedendes Wasser verwenden – lasse das Wasser für die Teezubereitung nach dem Sieden 1 Minute abkühlen. Wenn Du siedendes Wasser verwendest, enthält Dein Tee sehr wahrscheinlich weniger ätherische Öle – diese verdampfen schnell.

Wichtig: Während der Schwangerschaft die Rezeptur nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Gynäkologen anwenden und auf jeden Fall ohne Rosmarin anfertigen lassen, da dieser durchblutungsanregend auf die Beckenorgane wirkt!

Bei Gallenwegsbeschwerden (Gallensteinleiden, Verschluss der Gallenwege, Gallenblasenentzündung u.a.) darf Rosmarin nur nach Rücksprache mit einem Therapeuten angewandt werden.

Wann zur Ärztin / zum Arzt

Das Rezept ist kein Ersatz für die ärztliche Behandlung von behandlungsbedürftigen Beschwerden wie Depressionen. Vor der Anwendung ist auf jeden Fall ein Arzt zu konsultieren, der feststellt, ob es sich um eine saisonale Verstimmung im Sinne eines Winterblues handelt oder um eine behandlungsbedürfte Depression! Er wird mit Dir auch darüber sprechen, ob der Tee für Dich geeignet ist!

Und zum Schluss

Wenn uns im Winter das Licht fehlt, können wir zu verschiedenen mediterranen Heilpflanzen greifen. Ihr ätherisches Öl kann anregend auf unseren Gehirnstoffwechsel und damit auf unsere Stimmung wirken. Den Einsatz von Rosmarin, Bitterorange und Fenchel halte ich bei Winterblues für eine gute Option.

Literatur

[1] Li H et al. Serum 25-Hydroxyvitamin D Levels and Depression in Older Adults: A Dose-Response Meta-Analysis of Prospective Cohort Studies. Am J Geriatr Psychiatry 2019;27(11):1192-1202

[2] Lizarraga-Valderrama LR. Effects of essential oils on central nervous system: Focus on mental health. Phytother Res 2021; 35(2): 657–679

[3] Zhang Y, Long Y, Yu S. Natural volatile oils derived from herbal medicines: A promising therapy way for treating depressive disorder. Pharmacol Res 2021; 164: 105376

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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