Pflanzenheilkunde

Frühjahrsmüde? Birkenkraft für Deine wintermüden Knochen!

14. März 2023
Frühling Birke

Ist der Winter vorbei, kommt unser innerer Motor bisweilen nicht richtig in Schwung. Der Winter steckt uns tief in den Knochen. Bei Frühjahrsmüdigkeit brauchen wir eine Starthilfe. Die Birke ist dann keine schlechte Wahl. Ihre wiederbelebenden Kräfte zeigten sich eindrücklich nach der letzten Eiszeit.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 4 Minuten

Pionierin nach der letzten Eiszeit

Europa vor ca. 12.000 Jahren: Die letzte Kaltzeit hat ein Ende. Über 100.000 Jahre brachte sie große und zum Teil bis heute prägende Veränderungen über unseren Kontinent und über die dort bereits lebenden Neandertaler und Cro-Magnon-Menschen. Der Norden Europas und der Alpenraum war von einer dicken Eisschicht überzogen. Als das Eis zurückging, eroberte langsam die Vegetation die von Kälte, Eis und Schmelzwasser verwüstete Landschaft. Zur grünen Vorhut gehörte die Birke.

Während der Eiszeit gab es in Mitteleuropa wahrscheinlich nur strauchförmige Birken wie die Zwergbirke (Betula nana). Mit dem Zurückweichen der Gletscher bildeten baumförmige Birken wie Moor- und Hänge-Birke (Betula pubescens und Betula pendula) vielerorts die ersten Wälder. [1] Sie hatten die Kaltzeit in Mittelmeernähe überdauert. Von dort aus zogen sie nordwärts, getrieben vom Wind. Der Wind blies ihre geflügelten Samen über die teilweise noch vegetationslosen Böden. Ungefähr 2000 Jahre dauerte ihre Reise vom Mittelmeer bis ins heutige Irland. [2]

Die Birke besiedelt als Pionierbaum freie Flächen. Diese Fähigkeit verdankt die Birke ihrer Genügsamkeit. Sie stellt wenig Ansprüche an Boden und Klima, verträgt harte Fröste, besiedelt trockene als auch feuchte Böden. So finden wir Birken sowohl auf kargen Sanddünen als auch im Moor.

Ihr Pioniergeist ließ sich nicht nur beobachten, als das Eis der letzten Kaltzeit schmolz. Immer wenn durch Rodung, Brand oder andere Katastrophen Waldgebiete zerstört wurden, waren Birken bald zur Stelle, um das Areal wiederzubeleben. Dies ist unseren Vorfahren nicht entgangen. Sie wurden wiederholt Zeugen davon, wie Birken entwaldete Regionen und Ödland wieder zu grünen und damit lebensspendenden Gebieten wandelten. Dies brachte den Birken nicht nur Verehrung und Dankbarkeit ein. Ihre Qualitäten, unwirtlichen Gegenden Leben einzuhauchen, fanden auch Eingang in Brauchtum, Religion und Heilkunde. Die Birke wurde zum Baum des Neubeginns.

Frühlingsrituale mit der Birke

Die Kraft der Birke, unbelebten Boden fruchtbar zu machen, versuchten Menschen – besonders im Norden Europas – auf sich zu übertragen. So fanden viele Fruchtbarkeits- und Frühjahrrituale in Birkenhainen statt. In ihnen trafen sich die Menschen für ausgelassene und heitere Feste. Im Mittelalter waren diese Zeremonien in Birkenwäldern von der Kirche nicht gern gesehen. So holte sich das Volk die Birke eben in das Dorf und stellte sie als Maibäume auf, um das Leben, die Liebe und das Wiedererwachen der Natur mit Rausch, Musik und Tanz zu feiern.

Aus ihren Zweigen fertigte man vielerorts Lebensruten, deren Schlag Mensch und Tiere fruchtbar und gesund machen sollte. Verliebte Männer stellten ihren Angebeteten oft geschmückte Birkenstöcke als sogenannte Maibaumstecken in den Vorgarten, ein Brauch, der in manchen Regionen noch heute ausgeübt wird.

Auch in vielen Schutzzaubern spielte die Birke eine Rolle. So sollte zum Beispiel Birkenreisig im Frühling das Vieh vor Hexenzauber und Ungeziefer schützen. [3] Zur Belebung der Haut und des Bindegewebes ist das sanfte Schlagen mit belaubten Birkenzweigen zum Beispiel beim Saunieren heute noch Brauch.

Als besonderes Lebenselixier gilt in vielen Regionen der im Frühjahr gezapfte süßliche Birkensaft. Hierfür wird die Rinde des Birkenbaums durchbohrt, aus dieser dann der Birkensaft tritt.

Birkenblättertee bei Frühjahrsmüdigkeit

Sicher kennst Du das: Der Frühling hält Einzug, doch von dem Schwung und der Energie, die die Natur um Dich herum ergreift, spürst Du nichts. Im Gegenteil: Du fühlst Dich erschöpft und kraftlos, der Winter steckt Dir noch tief in den Knochen. Du bist lustlos und frühjahrsmüde. Dann lohnt es sich an die Birke zu denken, an einen Baum, der bis heute auf der Nordhalbkugel bei Frühjahrsmüdigkeit und zur Reinigung nach der Winterzeit benutzt wird. [4]

In der heutigen Pflanzenheilkunde finden die Flavonoid-reichen Laubblätter (Betulae folium) und die vom Kork befreite Rinde (Betulae cortex) der Moor- und Hänge-Birke Anwendung. In den offiziellen Monografien von ESCOP, Kommission E und HMPC findet sich kein Hinweis auf eine Verwendung bei Frühjahrsmüdigkeit. Erwähnt wird jedoch ihre aktivierende Wirkung auf die Nieren und ihre mögliche Verwendung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege und bei Nierengrieß. Die Anwendung eines Birkenblättertees bei Frühjahrsmüdigkeit basiert hingegen auf Erkenntnisse der Erfahrungsheilkunde. [5]

Birkenblättertee

Zutaten

1 TL Birkenblätter (Betulae folium)

Zubereitung

2–3-mal täglich 1 TL Birkenblätter (Betulae folium) mit ¼ Liter siedendem Wasser übergießen und zugedeckt 15 Minuten langziehen lassen. Bei Frühjahrsmüdigkeit empfiehlt es sich, diesen Tee als Kur 3–4 Wochen lang jeden Tag zu trinken.

Wichtige Hinweise: Beim Vorliegen von Ödemen als Folge von einer eingeschränkten Nieren- oder Herztätigkeit darf der Tee nicht angewandt werden.

Der Tee wirkt entwässernd, am besten Du trinkst die letzte Tasse nicht zu spät am Abend, damit nächtlicher Harndrang nicht Deinen Schlaf stört. Die harntreibende Wirkung von Birkenblättern führt nach heutigem Kenntnisstand nicht zu einem Ungleichgewicht der Elektrolyte. Dennoch sollten Menschen, die harntreibende Arzneimittel oder Herzmedikamente einnehmen, eine kurmäßige Einnahme von Birkenblättertee mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt besprechen.

Birkenblättertee
Birkenblättertee (Symbolbild) © Lumixera/stock.adobe.com

Und zum Schluss

Was nach der Eiszeit Europa belebte, kann auch uns helfen, wenn der Winter vorbei ist. Nicht selten steckt uns die kalte Jahreszeit dann noch tief in den Knochen. Dir auch? Dann könnte die Kraft der Birke eine gute Unterstützung für Dich sein.

Literatur

[1] Küster HJ. Birken in der Waldgeschichte Mitteleuropas. Im Internet: https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/wissenstransfer/dateien/w28_birken_in_der_waldgeschichte_mitteleuropas.pdf; Stand: 05.12.2022

[2] Hageneder F. Geist der Bäume. Neue Erde; 2014

[3] Marzell H. Pflanzen im Volksleben. E. Diederichs; 1925

[4] Rastogi S, Pandey MM, Kumar Singh Rawat A. Medicinal plants of the genus Betula–traditional uses and a phytochemical-pharmacological review. J Ethnopharmacol. 2015; 159: 62-83. DOI: 10.1016/j.jep.2014.11.010

[5] Blaschek W, Ebel S, Hackenthal E, Holzgrabe U, Keller K, Reichling J, Schulz V. Betula. Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. Stuttgart: WVG/Springer; 2014

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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