Bestimmte Heilpflanzen kommen in Mode, wenn ihre Qualitäten den aktuellen gesundheitlichen Bedürfnissen besonders entsprechen. In den letzten Corona-geprägten Jahren ist die Zistrose in den Fokus öffentlichen Interesses gerückt. Was ist dran an der überwältigenden immunstärkenden Kraft, die ihr zugeschrieben wird? Eine persönliche Liebeserklärung …
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Die Zistrosen stammen aus dem Mittelmeerraum, wo sie als niedrig wachsende Sträucher das Landschaftsbild prägen. Ihre Blätter ähneln etwas kleinen, leicht gefalteten Salbeiblättern. Die Blüten hingegen erinnern an eine Heckenrose mit sehr zarten, leicht zerknittert wirkenden Blütenblättern.
Das Harz der Zistrose ist auch unter dem Begriff Resina Ladanum oder Labdanum bekannt. Es wurde früher gewonnen, indem die Hirten ihre Schafe durch die Zistrosenbüsche trieben, an deren Haaren Harz kleben blieb und dann davon abgesammelt werden konnte [1]. Tatsächlich habe ich beim Sammeln festgestellt, dass die Hände sehr klebrig werden.
Der Name Cistus leitet sich vom Griechischen „kisthos“ ab, was in der Antike bereits einen harzhaltigen Strauch mit rosafarbenen Blüten bezeichnet.
Auch wenn alle Zistrosenarten über ein gewisses therapeutisches Potenzial verfügen, stehen heute zwei Arten medizinisch besonders im Fokus: die kretische Zistrose (Cistus creticus L.) sowie die graubehaarte Zistrose (Cistus incanus L.). Incanus steht hier für die „aschgraue“ Behaarung, welche die Pflanze weitgehend bedeckt. Creticus weist auf die Insel Kreta hin, die maßgebliche Vorkommen der Pflanze beherbergt.
Arzneilich angewendet werden von der graubehaarten Zistrose das blühende Kraut (Cistus herba) sowie von der kretischen Zistrose die Blätter (Cistus folium).
Traditionell wird die Zistrose innerlich bei Durchfall und Atemwegserkrankungen sowie bei bestimmten Hauterkrankungen wie etwa Neurodermitis eingesetzt. Aus meiner Erfahrung bietet sich die Zistrose therapeutisch besonders an, wenn es sich um Probleme von Haut wie auch den Schleimhäuten handelt.
Zistrose durch Corona zum Star
In Zusammenhang mit dem Auftreten der Vogelgrippe (aviäre Influenza, H5N1) und der Schweinegrippe (H1N1) wurde dem antiviralen Potenzial von Cistus incanus zunehmende Aufmerksamkeit zuteil [2]. Dies verstärkte sich mit der Corona-Pandemie: Nach anfänglichem Zögern wurde angesichts der medizinischen Hilflosigkeit in der Behandlung fieberhaft nach geeigneten Heilpflanzen gesucht. Neben vielen anderen wichtigen antiviralen Pflanzen stach dabei besonders die graubehaarte Zistrose hervor. Untersucht wurden vor allem Präparate einer Firma, die eine spezielle, hochwirksame Zuchtlinie der Art Cistus incanus entwickelt hat.
In Laborstudien (in vitro) zeigte sich dabei eine Wirksamkeit der Zistrosen-Extrakte bei allen untersuchten Viren: verschiedene Influenza-A-Viren, Rhinoviren, Adenoviren, HIV-1 und HIV-2-Viren, Ebola- und Marburgvirus sowie dem Coronavirus SARS-CoV-2.
Studien an Menschen (in vivo) belegten zudem das Potenzial in der möglichen Verhinderung einer Ansteckung und Linderung der Beschwerden im Krankheitsfall nicht nur bei dem ursprünglichen Corona-Virus SARS-CoV-2: auch im Fall der folgenden sogenannten „britischen“ und „südafrikanischen“ Varianten (B.1.1.7 und B.1.351) zeigte sich ein starker antiviraler Effekt. Dabei wird die Vermehrung der Viren gehemmt, indem eine Bindung des Virus an Zellen unterbunden wird. Dieser Effekt zeigte sich auch, wenn die Zellen vor dem Kontakt mit dem Virus mit dem Zistrosen Präparat-behandelt worden waren. Dies wurde als deutlicher Hinweis auf die prophylaktische Wirkung oraler Einnahmeformen, z.B. Lutschtabletten, gewertet [3].
Zistrose – abwehrstärkende Heilpflanze mit breiter Wirkung
Bei einer klinischen Studie zu akuten Atemwegserkrankungen 2009 zeigten die mit Zistrose behandelten Probanden eine schnellere Genesung und mildere Symptome im Verlauf der Erkrankung als die Vergleichsgruppe. Dabei scheint die Schutzwirkung eher breitgefächert und unspezifisch zu sein: die „Abdichtung“ der Schleimhaut scheint das Eindringen von Viren und Bakterien gleichermaßen zu hemmen. Durch die weitgehend physische Blockade könnte gegenüber pharmakologischen Wirkmechanismen auch das Risiko verringert sein, dass die Erreger eine direkte Resistenz gegen die Wirkstoffe der Zistrose aufbauen [4]. Selbst hartnäckige Bakterien wie Porphyromonas gingivalis, einem maßgeblichen Auslöser schwerer Zahnfleischentzündungen, könnten sich Studien zufolge durch Cistus-Extrakte zurückdrängen lassen. Dieser Erreger hat die Fähigkeit, die Zahnfleisch-Barriere zu durchdringen, was durch die Zistrose anscheinend unterbunden werden könnte. In diesem Fall könnte die Wirksamkeit durch die gleichzeitige Anwendung des Helmkrautes (Scutellaria lateriflora) gemäß einer Studie noch verstärkt werden. Die Zistrose könnte gemäß einer Studie zufolge auch im Kampf gegen das Bakterium Staphylococcus aureus hilfreich sein, das durch gefährliche Folgeschäden wie Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) von sich reden macht [5].
Die heilkundlichen Kapazitäten der Zistrose könnten jedoch nicht nur auf den Bereich der antibakteriellen und antiviralen Wirkungen beschränkt sein. Eine klinische Studie stellte 2021 fest, dass Cistus incanus als Tee einen positiven Einfluss auf den Fettstoffwechsel haben könnte: die Konzentration des gesunden HDL-Cholesterins stieg an, während die Konzentration der Triglyzeride sank. Außerdem bewirkte der Tee in der Studie eine deutliche Reduktion des oxidativen Stresses, der sich negativ auf den Zellstoffwechsel auswirken kann. Somit könnte die Zistrose auch ihren Platz in der Prävention der klassischen Zivilisationserkrankungen finden: von Arteriosklerose-bedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen über die Hemmung der freien Radikale als Mitverursacher von verschiedenen anderen Erkrankungen.
Interessanterweise scheint die Wirksamkeit des Tees auch bei mehreren aufeinander folgenden Aufgüssen erhalten zu bleiben [6]. Die Wirkung auf den Stoffwechsel und andere Organe, abgesehen von der Lunge, könnte zudem auch bedeutsam im therapeutischen Umgang mit viralen Erkrankungen sein – immerhin können diese zu langfristigen bis chronischen Folgebelastungen und -schäden im gesamten Körper führen.
Polyphenole als wirkungsbestimmende Substanzen in der Zistrose
Die außerordentlichen therapeutischen Qualitäten der Zistrose könnten sich pharmakologisch vor allem mit ihrem hohen Gehalt an Polyphenolen erklären lassen. Die präventive Einsatzbreite der Polyphenole als Antioxidanzien mit einer Schutzwirkung auf Gefäße und Zellen wird laut einer Studie noch erweitert durch ihre Auswirkung auf den Zuckerstoffwechsel: somit könnte die Zistrose auch als tägliche Anwendung bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, Leber- und Nierenerkrankungen hilfreich sein [7].
Hinweis: Die vorgestellten Studienergebnisse dienen nicht als Anleitung zur Selbstbehandlung mit einer Zubereitung aus der Zistrose. Sie sind hier beispielhaft genannt, um das mögliche Potenzial der Pflanze aufzuzeigen. Weitere Studien sind notwendig.
Was steckt sonst noch drin?
Inhaltstoffe der Zistrose sind:
- Polyphenolische Verbindungen, z.B. Phenolsäuren, Ellagtannine
- Flavonoide
- Gerbstoffe
- ätherische Öle (Sesquiterpene)
- Harz
Anerkannte medizinische Anwendung der Zistrose
Aktuell ist das Zistrosenkraut lediglich vom HMPC als traditionelles Arzneimittel zur Linderung von Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum registriert. Dies wird seinem von Studien belegten ausgeprägten therapeutischen Potenzial offensichtlich nicht gerecht. Offizielle Monografien zur Zistrose existieren jedoch noch nicht. HMPC arbeitet aktuell daran, diesen Mangel zu beheben.
Im Handel finden sich einerseits Zistrosenblätter oder -kraut zur Zubereitung eines Tees. Andererseits sind Lutschtabletten – meistens auf Basis von Trockenextrakten – erhältlich. Diese sind wegen des beim Lutschen entstehenden Schutzfilms auf den Schleimhäuten gerade für die Prophylaxe von Atemwegsinfekten interessant.
Teemischung zur Stärkung des Immunsystems
Die folgende Teemischung zur Stärkung des Immunsystems gegen virale und bakterielle Atemwegsinfektionen kann ich aus meiner täglichen Praxis empfehlen.
Zutaten
- Thymiankraut (Thymi herba) 25g
- Spitzwegerichblätter (Plantaginis lanceolatae folium ) 25g
- Sonnenhutkraut (Echinaceae purpureae herba) 25g
- Malvenblüten (Malvae silvestris flores) 15g
- Meerrettichwurzel (Armoraciae radix) 35g
Zubereitung/Anwendung
3 x täglich 1 gestrichenen EL pro Tasse mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, 15 Minuten zugedeckt ziehen lassen. Anschließend noch warm trinken.
Dieser Tee kann, abgesehen vom Fall einer Erkrankung, auch präventiv in den kälteren Monaten des Jahres getrunken werden. Im Gegensatz zu den meisten Teemischungen kann der Tee bei akuten Atemwegserkrankungen auch leicht mit Honig gesüßt werden.
Hinweis: Es sind folgende Gegenanzeigen zu beachten!
Meerrettichwurzel darf bei Magen- und Darmgeschwüren sowie Nierenentzündungen nicht eingenommen werden. Bei Kindern unter 4 Jahren darf sie auch nicht angewandt werden [8].
Der Sonnenhut sollte bei bestehenden Allergien auf Korbblütler nicht verwendet werden. Menschen mit schweren systemischen Erkrankungen, Autoimmunkrankheiten, Immunschwächeerkrankungen oder immunsupprimierte Patienten dürfen Echinacea aufgrund seiner immunanregenden Wirkung nicht anwenden. Für die Anwendung von Sonnenhut in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern unter 12 Jahren wird von der Verwendung abgeraten [9].
Anwendungshinweise zur Zistrose
Über Nebenwirkungen bei der Einnahme der Zistrose an sich ist nichts bekannt. Ich habe bei speziellen Fertigpräparaten zuweilen eine leichte Neigung zu Durchfall beobachtet, würde dies jedoch den entsprechenden Konservierungsstoffen zuordnen. Zu Wechselwirkungen mit anderen Heilpflanzen oder Arzneimitteln gibt es bei der Zistrose ebenfalls keine Belege. Auch wenn es keine Hinweise auf toxische Wirkungen gibt, wird eine Anwendung bei Kindern unter 6 Jahren nicht empfohlen, da hierzu keine Studien vorliegen [2]. Aufgrund fehlender Studien wird von der Einnahme der Zistrose bei Kindern unter 12 Jahren, bei Schwangeren und Stillenden ebenfalls abgeraten [2].
Achtung: Wird der Tee bei einer Atemwegsinfektion eingesetzt, gilt es Folgendes zu beachten: Bessern sich Symptome wie Halsschmerzen, Schnupfen und/oder Husten nicht innerhalb von 3 Tagen bzw. verschlimmern sich die Symptome, geht Husten mit Auswurf einher oder ist das Nasensekret verfärbt, treten Fieber und/oder weitere Krankheitssymptome auf wie beispielsweise Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen u.v.m., ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen!
Zistrose im heimischen Garten – profitiert vom Klimawandel
Die steigenden Temperaturen und ausgeprägteren Dürreperioden hierzulande kommen der Zistrose sehr entgegen. Eine Verbreitung als Neophyt ist in Deutschland zwar noch nicht belegt. Ich habe in meinem Kleingarten jedoch über die letzten Jahre mehrere Exemplare gepflanzt, die dort prächtig gedeihen. In größeren Kräuterhandlungen sind die Pflanzen inzwischen gut zu bekommen und haben sich als recht anspruchslos und wuchsfreudig erwiesen.
Und zum Schluss …
Keine Pflanze kann den Anspruch eines Allheilmittels erfüllen, auch die Zistrose wäre damit überfordert. Aber es ist sicher ein Zeichen der Zeit, dass dieses Heilkraut in den letzten Jahren als prophylaktische Stärkung des Immunsystems und zur Behandlung akuter Infekte stärker in den Fokus gerückt ist. In meinem Herzen und Arzneimittelschatz hat es jedenfalls einen festen Platz erobert. Ich kann Heilpflanzenkundigen nur wärmstens empfehlen, sich einmal näher damit auseinanderzusetzen.
Literatur
[1] Blaschek W., Ebel S., Hackenthal E., Holzgrabe U., Keller K., Reichling J., Schulz V. Hrsg. Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. Stuttgart: WVG/Springer; 2014, Cistus
[2] Kooperation Phytopharmaka. Arzneipflanzenlexikon. Zistrose nach https://arzneipflanzenlexikon.info/zistrose.php Stand: 28.08.2023
[8] Kooperation Phytopharmaka. Arzneipflanzenlexikon. Meerrettich nach https://arzneipflanzenlexikon.info/meerrettich.php am 13.09.2023
[9] Kooperation Phytopharmaka. Arzneipflanzenlexikon. Sonnenhut nach https://arzneipflanzenlexikon.info/sonnenhut.php am 13.09.2023
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.