Pflanzenheilkunde

Aus Heilpflanzen einen Tee zubereiten – so geht’s richtig!

5. Juli 2022
Teegenuss

Fertigpräparate aus Heilpflanzen herzustellen ist meist aufwendig, kostspielig und verursacht Müll. Tees aus Heilpflanzen können bei manchen Anwendungen eine Alternative sein, auch wenn sie keine standardisierte Wirkstoffmenge enthalten. Ein paar Dinge solltest Du aber unbedingt beachten, wenn Du aus Heilpflanzen einen Tee zubereiten möchtest.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 3 Minuten

Tee zubereiten aus Heilpflanzen: Warum Du heißes Wasser verwendest

Wirkstoffe in Heilpflanzen lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen: Die erste ist wasserlöslich. Wasser kann sie problemlos aus der Pflanze waschen. So zum Beispiel die Schleimstoffe. Die zweite Gruppe ist fettlöslich. Zu ihr zählt zum Beispiel das ätherische Öl einer Heilpflanze. Um die fettlöslichen Komponenten zu lösen, eignen sich Öle oder hochprozentiger Alkohol als Auszugsmittel. Doch auch heißes Wasser kann teilweise fettlösliche Bestandteile aus Heilpflanzen lösen. Dass heißes Wasser in der Lage ist Fette zu lösen, kannst Du beispielsweise beim Geschirrspülen beobachten.

Damit Heilpflanzen optimal wirken, ist es wichtig, dass Du sowohl ihre fettlöslichen als auch wasserlöslichen Bestandteile zu Dir nimmst. Dafür müssen die Wirkstoffe zunächst aus der Pflanze gelöst werden. Diesen Vorgang nennt man Extrahieren. Verschiedene Methoden stehen hierfür zur Verfügung. Sie unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des Lösungsmittels, das die Wirkstoffe aus der Pflanze löst. Bei der Herstellung von Pflanzenpräparaten wird das Lösungsmittel im Anschluss meist vollständig entfernt, man erhält dann einen sogenannten Trockenextrakt. Dieser hat entscheidende Vorteile: Sein Gehalt an Wirkstoffen lässt sich leicht bestimmen und er garantiert, dass sich die Wirkstoffe – weil ihnen das Wasser entzogen wurde – nicht oder nur langsam verändern. Eine ebenfalls gute Haltbarkeit haben alkoholische Extrakte, sogenannte Tinkturen.

Eines der ältesten Extraktionsmittel ist jedoch heißes Wasser. Ein Heißwasserextrakt ist nichts anderes als ein Tee. Für manche Anwendungen kann er eine Alternative zu Fertigpräparaten sein. Einen Tee kannst Du selbst zubereiten. Für ein optimales Ergebnis solltest Du aber unbedingt die folgenden Punkte beachten.

Die richtige Dosierung macht’s

Sofern auf der Packungsbeilage Deiner Heilpflanzen bzw. Kräutermischung oder einem Rezept nicht anders beschrieben, übergießt Du 2- bis 3-mal täglich 1 gestrichenen EL der getrockneten Heilpflanzen oder der Kräutermischung mit 250 ml siedendem Wasser. Das heiße Wasser mit den Heilpflanzen bzw. Kräutern lässt Du zugedeckt 15 Minuten ziehen, anschließend abseihen. Den Tee trinkst Du ungesüßt vor den Hauptmahlzeiten.

Durch die lange Ziehzeit hat das Wasser mehr Gelegenheit, auch in die festen Strukturen von Teebestandteilen wie zum Beispiel Wurzeln, Rinden oder Äste einzudringen, sodass auch aus diesen schwer löslichen Bestandteilen die wirksamen Inhaltsstoffe in den Tee übergehen.

Deckel drauf: damit Pflanzeninhaltsstoffe nicht verdampfen

Decke den Tee während des Ziehens unbedingt ab, zum Beispiel mit einer Untertasse aus Porzellan. Die in den Pflanzen enthaltenen ätherischen Öle verdampfen nämlich bei höheren Temperaturen, verflüchtigen sich und bringen den Raum zum Duften – fehlen dann aber im Tee. Wenn der Tee mit einer Porzellanuntertasse oder Ähnlichem während der Ziehzeit zugedeckt wird, kann das ätherische Öl nicht aus der Tasse entweichen. Am Ende der Ziehzeit gibst Du dann das Wasser, das sich an der Unterseite der Abdeckung gesammelt hat, in den Tee. Denn darin dürfte ein Teil der verdampften ätherischen Öle gelöst sein.

Warum das Süßen von Tees keine gute Idee ist

Der Geschmack von Heilpflanzen ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Wirkung. Schon beim ersten Schluck Tee treffen dessen Aromastoffe auf die Geschmackszellen in unserem Mund. Diese Zellen haben eine „Wächterfunktion“: Sie überprüfen, was später in unseren Magen und in unseren Blutkreislauf gelangt. Bei bestimmten Stoffen, zum Beispiel den Bitterstoffen, sorgen sie für einen kleinen Alarmzustand in unserem Körper und setzen so eine Kettenreaktion in Gang: Unser Organismus hat im Laufe der Evolution gelernt, dass viele bittere Früchte und Pflanzen giftig sein können. Nehmen diese Zellen nun einen bitteren Geschmack wahr, sorgt unser Körper dafür, dass die Verdauungsorgane stärker durchblutet werden. So können diese schneller reagieren, wenn es zu einer Gifteinwirkung kommt und den potenziell schädigenden Stoff durch Erbrechen und Durchfall eliminieren. Auch die Leberdurchblutung wird angeregt, denn die Leber hat einen wesentlichen Anteil an der Entgiftung schädlicher Substanzen.

Bitterstoffe aktivieren auch unseren „Ruhenerv“, den Parasympathikus. Während dieser dafür sorgt, dass die Verdauungsorgane mehr Blut bekommen, senkt er unser Aktivitätsniveau, er reduziert unseren Herzschlag und wirkt körperlichem Stress entgegen. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag, damit wir entschleunigen und zur Ruhe kommen. Wenn Bitterstoffe Deine Verdauung aktivieren, hilft das übrigens auch anderen Wirkstoffen vom Darm in den Blutkreislauf zu gelangen.

Bittere Heilpflanzen sind also ein wichtiger Beitrag für die Gesundheit von Leber, Nerven- und Gefäßsystem. Den leisten sie aber nur, wenn wir sie unverfälscht schmecken. Teezubereitungen daher am besten nicht süßen und zunächst so dosieren, dass sie angenehm bitter für Dich schmecken. An den bitteren Geschmack gewöhnst Du Dich schnell, und was zunächst noch Abneigung auslöst, schmeckt Dir nach ein paar Wochen bestimmt.

Warum das Trinken vor den Hauptmahlzeiten eine gute Idee ist

Die im Tee gelösten pflanzlichen Inhaltsstoffe gelangen über Mund und Magen in den Darm. Viele von ihnen können direkt die Darmschleimhaut passieren. Das geschieht umso besser, wenn diese gut durchblutet ist. Zum Beispiel, wenn wir essen und verdauen. Andere Pflanzeninhaltsstoffe müssen erst durch die Darmbakterien aktiviert werden. Auch hier ist es von Vorteil, wenn der Darm gut durchblutet ist. Das belebt nämlich nicht nur die Verdauungsleistung, sondern auch die Darmmikrobiota.

Wieso Du getrocknete Heilpflanzen für einen Tee verwenden solltest

Für einen Tee verwendest Du am besten getrocknete Heilpflanzen. Frische sind voll mit Wasser, das Heißwasser kann daher schlecht in sie eindringen und die Inhaltsstoffe lösen.

Zudem finden wir in getrockneten Pflanzen viele Wirkstoffe, die frische Pflanzen nicht enthalten. Das Leben in einer Pflanzenzelle erlischt nämlich nicht mit dem Ernten. Das Trocknen aktiviert die Schutzmechanismen der Zellen, Enzyme werden aktiv und wandeln pflanzliche Schutzstoffe in ihre aktive Form um. Das Enyzm Myrosinase zum Beispiel trennt das wirksame Senföl Benzylsenföl vom Senfölglykosid Glucotropaeolin ab.

Der Trocknungsprozess von Heilpflanzen sollte aber möglichst schnell vonstattengehen, damit sich die enzymatische Umwandlung von Schutzstoffen in Grenzen hält. Das aktive Benzylsenföl kann sich zum Beispiel schnell verflüchtigen und ist nach dem Trocknungsprozess nur noch in geringer Menge enthalten. Die enzymatische Aktivierung während der Trocknung hat aber auch positive Effekte auf die Wirkung von Heilpflanzen. So zeigen Studien, dass sich dabei die Menge an antioxidativen Wirkstoffen erhöhen kann. [1]

Hinweis: Manche Heilpflanzen können auch Nebenwirkungen verursachen oder dürfen bei bestimmten Erkrankungen nicht angewendet werden. Zudem können manche Pflanzeninhaltsstoffe auch mit Arzneimitteln interagieren, die Du vielleicht einnimmst. Sprich daher mit Deinem Dich behandelnden Heilpraktiker, Arzt oder einem Apotheker über die Kräuter und Heilpflanzen, die Du in einem Tee zu Dir nehmen möchtest. Er wird Dich beraten und Dir sagen, ob das gefahrlos möglich ist.

Und zum Schluss …

Heißes Wasser holt die wichtigsten Inhaltsstoffe aus Deinen Heilpflanzen. Für ein optimales Ergebnis solltest Du zudem getrocknete Heilpflanzen verwenden, während der Ziehzeit den Heißwasserextrakt zudecken und Deinen Tee ungesüßt vor den Hauptmahlzeiten trinken.

Literatur

[1] Hossain MB, Barry-Ryan C, Martin-Diana AB et al. Effect of drying method on the antioxidant capacity of six Lamiaceae herbs. Food Chem 2010; 123: 85–91

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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