Pflanzenheilkunde

Johanniskrautöl herstellen, aber richtig – Do it yourself

18. Juni 2022
Gelb blühendes Johanniskraut

Johanniskraut blüht von Juni bis September und passt zeitlich perfekt als Pflanze in diesen Monat! Die viel beachtete Heilpflanze mit ihrem gelb blühenden Kraut findet sich an Wegrändern, sonnigen Böschungen und auf Wiesen. Dort kannst Du sie sammeln und daraus selber ein Johanniskrautöl herstellen.

Rudi Beiser

Lesezeit: 6 Minuten

Johanniskraut: Nicht nur ein Stimmungsaufheller …

Das Johanniskraut (Hypericum perforatum) ist vor allem durch seine antidepressive, stimmungsaufhellende und angstlösende Wirkung bekannt geworden. Nachdem diese vor etwa 30 Jahren wissenschaftlich belegt werden konnte, wurde das Kraut zum Verkaufsschlager. Inzwischen gehören Johanniskrautpräparate zu den umsatzstärksten pflanzlichen Arzneimitteln. Nach der aktuellen Studienlage sind hochdosierte Extrakte aus Johanniskraut bei mittelschweren Depressionen ähnlich wirksam wie ein synthetisches Antidepressivum – im Gegensatz zu diesem sind sie jedoch in der Regel wesentlich besser verträglich.

Hinweis: Die für eine antidepressive Behandlung notwendige hohe Dosierung kann nicht mit einem selbst aufgebrühten Johanniskraut-Tee erreicht werden oder durch Einreibung mit einem Johanniskrautöl. Es braucht dafür konzentrierte Fertigarzneimittel. Die Behandlung einer depressiven Erkrankung gehört zudem unbedingt in die Hände eines Facharztes. Johanniskraut-Präparate dürfen daher nur nach dessen Verordnung angewandt werden. Es können zudem Neben- und Wechselwirkungen auftreten, wenn Johanniskraut in höherer Konzentration eingesetzt wird.

… sondern auch zur Wundheilung gut geeignet

Doch nicht erst im Mittelalter, schon in der Antike galt das Johanniskraut in der Wundversorgung als wichtige Pflanze. Den blutroten Saft, der beim Zerreiben der gelben Blüten entsteht, ordnete man damals im Sinne der Signaturenlehre dem Blut zu. Auch der berühmte Arzt Paracelsus (1493 – 1541) lobt die wundheilende Wirkung des Johanniskrauts. Genutzt wurde schon damals das Johanniskrautöl, wegen seiner Färbung auch Rotöl genannt.

Rot verfärbte Finger durch zerriebenes Johanniskraut.
Wenn Du das Johanniskraut zwischen den Fingern zerreibst, färbt der Pflanzensaft Deine Finger rot. Quelle. Rudi Beiser/Thieme

Wollte man im Mittelalter Johanniskrautöl herstellen, so hat man das nach einer Methode gemacht, die sich von der heutigen Ölherstellung kaum unterscheidet, wie man es in der Anleitung des Arztes Pietro Andrea Matthioli (1500 – 1577) in seinem berühmten New Kreüterbuch lesen kann:

„Die Blumen haben eine treffliche gute Art/ die Wunde zu heilen/ davon mache man ein Öl also: Leg die frischen Blumen in ein Glas/ gieß darüber Baumöl / stopfs oben zu/ und stell es an die Sonne/ lass also stehen über etliche Tag/ danach siebe das Öl ab/ druck die Blumen wohl aus/ und tue andere darein/ setz es wiederum an die Sonne/ danach drucks auch aus/ und nimm aber neue Blumen dazu. Solchs tue etliche Mal nacheinander. Zuletzt stosse die Hülsen samt dem Samen/ und leg sie auch in das Öl. Endlich so wird das Öl schön blutrot.“

( Pietro Andrea Matthioli (1500 – 1577), New Kreüterbuch)

Unsere Vorfahren haben tatsächlich ein wunderbares Heilmittel entwickelt, denn das Johanniskrautöl wirkt wundheilungsfördernd, entzündungshemmend, antibakteriell, antiviral und schmerzlindernd. Es ist beispielsweise hilfreich als Einreibung bei Gelenk- und Muskelschmerzen sowie bei Blutergüssen, Prellungen, Verstauchungen und Verrenkungen und Blutergüssen. Außerdem nutzt man es bei Sonnenbrand, Nervenschmerzen, Hexenschuss (Lumbago), Wundliegen (Dekubitus), Narben und Ekzeme. [2].

Auch die wissenschaftlichen Kommissionen bestätigen seine äußerliche Anwendung zur Behandlung leichter Hautentzündungen wie Sonnenbrand und kleiner Wunden (HMPC, ECOP, WHO) sowie bei scharfen und stumpfen Verletzungen, bei Muskelschmerzen und Verbrennungen 1. Grades (Kommission E). Es gehört deshalb in jede Hausapotheke!

Wenn Du selbst Johanniskrautöl herstellen willst, ist das nicht schwer. Damit das Öl seine Heilwirkung jedoch voll entfalten kann, musst Du folgende Aspekte unbedingt beachten.

Johanniskrautöl herstellen: Vorsicht mit der Sonne!

Neuere Studien haben gezeigt, dass bei der traditionellen Herstellung des Johanniskrautöls einige Fehler gemacht werden, die sich negativ auswirken. So stellte man früher das Öl mit dem Johanniskraut darin 4 Wochen in die volle Sonne. Heute weiß man, dass sich in der Sonne der wichtige Wirkstoff Hyperforin zersetzt. Hyperforin ist einer der Hauptinhaltsstoffe des Johanniskrauts und maßgeblich für die antibakterielle, entzündungshemmende und wundheilungsfördernde Wirkung des Öles verantwortlich.

Aber auch das Basisöl selbst, in welches das Johanniskraut eingelegt wird, leidet unter dem Sonnenlicht. Die direkte Sonneneinstrahlung führt in Kombination mit dem Sauerstoffkontakt zu beschleunigten Zersetzungsprozessen im Öl. Das hat zur Folge, dass das Öl instabil wird und sich somit die Haltbarkeit vermindert. Versuche haben gezeigt, dass das stabile Olivenöl, ohne Kräuterzusatz in die Sonne gestellt, bereits nach 2–3 Tagen ranzig wird.

Es ist übrigens das Johanniskraut selbst, das dafür sorgt, dass der Ölauszug nicht vorzeitig ranzig wird: Die Wirkstoffe aus dem Johanniskraut gehen in das Öl über und schützen es vor Oxidation. Aus diesem Grund wird ein Olivenöl ohne Kräuter so schnell ranzig, wenn es in der Sonne steht und Sauerstoff ausgesetzt ist, und eines mit Kräutern nicht. Aber: Je länger das Öl mit den Kräutern darin in der Sonne steht, desto stärker werden deren Wirk- und Schutzstoffe abgebaut.

Wenn Du Johanniskrautöl herstellen willst, beachte also: Steht der Ölauszug 4–6 Wochen in der Sonne, hat das Johanniskrautöl einen geringen Wirkstoffgehalt und eine relativ kurze Haltbarkeit! Deshalb sollte der Ölauszug auf keinen Fall länger als 3–6 Tage in der direkten Sonne stehen!

Um die Sonneneinstrahlung möglichst gering zu halten, solltest Du den Ölauszug möglichst in Braunglas oder Blauglas ansetzen, anstatt in Weißglas. Falls Du mangels Alternativen trotzdem einen Behälter aus weißem Glas nutzen willst, dann decke diesen mit einem Baumwolltuch ab oder stelle das Glas statt in die direkte Sonne an einen warmen und schattigen Platz.

Interessanterweise haben unsere Vorfahren im Mittelalter das richtig gemacht: Sie stellten ihr Johanniskrautöl zwar in die volle Sonne, aber in lichtundurchlässigen Steinguttöpfen.

Weitere Tipps für gutes Gelingen

Du solltest darauf achten, dass Du unbedingt frisches Johanniskraut verwendest, da der wichtige Wirkstoff Hyperforin beim Trocknen verloren geht. Außerdem ist das meiste Hyperforin gar nicht in den Blüten, sondern in den grünen Samenkapseln enthalten. Deshalb erntest Du das Kraut idealerweise erst gegen Blühende, wenn ein Teil der Blüten schon abgeblüht ist. Du wartest also mit der Ölzubereitung am besten, bis die ersten grünen Samenkapseln sichtbar werden.

Achte darauf, dass möglichst viele verschiedene Teile der Pflanze in das Öl kommen, da jedes Pflanzenorgan besondere Wirkstoffe enthält: Die Blätter liefern ätherisches Öl, die Blüten und Knospen enthalten den roten Farbstoff Hypericin sowie Flavonoide, während die grünen Samenkapseln das entzündungshemmende Hyperforin beisteuern. Nimm also am besten die kompletten oberen 20 cm der Pflanze, damit auch wirklich Blüten, Knospen, Blätter und grüne Samenkapseln ins Öl kommen.

Johanniskrautöl

Zutaten

  • 550 ml Olivenöl
  • 100 g frisches Johanniskraut (Hyperici herba)
  • 5–10 Tropfen ätherisches Lavendelöl

Zubereitung und Anwendung

Das klein geschnittene Kraut legst Du in das Olivenöl und lässt es an einem warmen Ort in einem dunklen Behälter ausziehen. Ideal sind Temperaturen zwischen 30 und 40° C. Das Öl solltest Du während der Auszugszeit möglichst mehrmals täglich umrühren, damit die Wirkstoffe gut ins Öl übergehen. Nach 3–6 Tagen das Öl abfiltern und das ätherische Lavendelöl hinzufügen. Für die Aufbewahrung möglichst in dunkle Flaschen (Braun- oder Blauglas) abfüllen.

Haltbarkeit

Das Johanniskrautöl ist ca. 9 Monate haltbar, danach baut sich das Hyperforin rasch ab.

Hinweis: Im Gegensatz zur inneren Anwendung von Johanniskraut-Extrakten (Einnahme) ist bei der äußerlichen Anwendung von Johanniskrautöl auf der Haut erfahrungsgemäß nicht mit einer Erhöhung der Lichtempfindlichkeit (Photosensibilisierung) der Haut zu rechnen. Eine Photosensibilisierung ist dennoch theoretisch möglich, was besonders bei Menschen mit sehr heller Haut und/oder bei Hauterkrankungen berücksichtigt werden muss. Nach der Anwendung ist deshalb eine direkte Sonnenexposition der behandelten Stelle zu vermeiden!

Abfiltern von Johanniskraut. Dunkle Flüssigkeit im Glas, aufliegend ein Sieb mit in Öl eingelegtem Johanniskraut.

Vorsicht beim Abfiltern

Frisches Johanniskraut hat einen hohen Wassergehalt, was bei unsachgemäßer Handhabung zu einer Verringerung der Haltbarkeit des Öles oder sogar zu Schimmelbildung führen kann. Deshalb wird das Auszugsgefäß zum Schutz vor Fremdkörpern lediglich atmungsaktiv verschlossen, also beispielsweise mit einer Fliegengaze oder Baumwollkompresse. So kann überschüssiges Wasser aus dem Öl verdunsten. Bei geschlossenen Gefäßen bildet sich Kondenswasser, das ins Öl zurückfließt.

Beim Abfiltern des Auszugsöls solltest Du die Pflanzenreste auf keinen Fall auspressen, damit der Wasseranteil im Öl nicht zu hoch wird. Das Auspressen des Rückstandes ist die größte Fehlerquelle bei der Herstellung von Öl-Mazeraten aus frischen Pflanzen!

Gieße das Auszugsöl stattdessen mitsamt dem Kraut in ein großes feines Sieb, sodass das Öl über mehrere Stunden abtropfen kann. Im Anschluss das Johanniskraut über einem anderen Gefäß ausdrücken. Verwende dieses ausgepresste und qualitätsverminderte Öl möglichst bald, da es schnell an Stabilität verliert.

Literatur

[1] Johanniskraut: Nur geprüfte Präparate verwenden (aerzteblatt.de)

[2] Phytochemical characterisation of oily extracts – efficiency and quality of the extraction 2007 Im Internet: Phytochemische Charakterisierung öliger Extrakte – Effizienz und Qualität der Extraktion | ediss.sub.hamburg (uni-hamburg.de)

[3] Wölfle U, Seelinger G, Schempp CM. Topical Application of St. Johnʼs Wort (Hypericum perforatum). Planta Med 2014; 80: 109–120. DOI: Planta Med 2014; 80: 109–120

[4] M Heldmaier 1, J Beyer-Koschitzke, E Stahl-Biskup, Oil extracts of herbal drugs–optimisation of the extraction parameters. Pharmazie 2009; 64:403-6. PMID: 196186709

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

Teilen

Das könnte Dir auch gefallen