Pflanzenheilkunde

Kleine Braunelle – klein aber oho!

26. Juli 2022
Kleine Braunelle

Die Kleine Braunelle ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Dabei war sie vor Jahrtausenden in der chinesischen Medizin für ihre Heilwirkung berühmt, auch im Mittelalter und bei indigenen Völkern Nordamerikas galt sie als Allheilmittel. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu ihren pharmakologischen Inhaltsstoffen zeigen heute ihre Wirksamkeit.

Rudi Beiser

Lesezeit: 4,5 Minuten

Das Beste für Hals und Wunden: die Kleine Braunelle

Die Kleine Braunelle (Prunella vulgaris) war einstmals eine Art Universalheilmittel. So gab man ihr in früheren Zeiten den kraftvollen Namen Allheil, Immergsund oder Gutheil.

Namentlich hat sie aber auch Bezug zu einem alten medizinischen Begriff, der sogenannten Halsbräune. Als Halsbräune bezeichnete man eine braunrote Entzündung im Hals, beispielsweise eine Angina. Oft war damit aber auch die Diphterie gemeint, die früher als Rachen- oder Halsbräune bekannt war. Die Kleine Braunelle galt für die Behandlung als besonders hilfreich, man nannte sie daher auch Braunheil und Braunwurz.

Die gebräuchlichste mittelalterliche Heilanwendung war schließlich auch die Behandlung von Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Von dieser Anwendung leiten sich auch die alten Namen ab wie Mundfäulekraut oder Halskraut. Man bereitete aus der Braunelle ein Gurgelwasser zu, indem man die blühende Pflanze in Wein oder Honigwasser auskochte. Aus heutiger Sicht hätte auch ein Tee aus der Braunelle genügt.

Eine besondere Heilkraft traute man der Braunelle bei der Behandlung innerer und äußerer Verletzungen zu. Die alten Namen Tischlergras, Zimmermannskraut oder Wundwurz weisen unmissverständlich darauf hin. Der in London lebende Botaniker John Gerard schrieb 1597: „Es gibt auf der Erde kein besseres Wundkraut als die Braunelle.“ Man trank sie in Wasser oder Wein gesotten, „um das geronnene Blut zu treiben, die hitzigen Schmerzen zu stillen und allerlei Verwundungen im Leib zu heilen“. Äußerlich wurden damit Wunden ausgewaschen oder darin getränkte Tücher als Umschläge auf Prellungen und Quetschungen gelegt.

Dank der heilsamen Wirkung bei Hauterkrankungen hieß die Kleine Braunelle auch St. Antonikraut. Der heilige Antonius galt als Schutzheiliger für Hautkrankheiten, Geschwüre, Wundrose, Kopfschmerzen sowie die Pest und andere Seuchen.

In der Volksheilkunde nutzte man die Braunelle vereinzelt auch bei Husten und Lungenerkrankungen. Aus heutiger Sicht ist das auf Grund der in der Pflanze enthaltenen Triterpen-Saponine durchaus sinnvoll.

Von den mittelalterlichen Heilanwendungen ist leider nicht viel geblieben. In Europa ist die Kleine Braunelle weitgehend in Vergessenheit geraten. In der Rationalen Phytotherapie hat sie leider keinen Platz gefunden.

Braunellentee/Innerliche Anwendung

Zubereitung

Nimm 1–2 gehäufte TL Braunellenblüten auf ¼ l heißes Wasser und lasse den Tee 7–10 Minuten ziehen.

Anwendung

Der Tee eignet sich sehr gut bei fiebrigen Erkältungen und Husten, aber auch zur Anregung der Leber- und Gallenfunktion.

Braunellentee/Äußerliche Anwendung

Zubereitung

Nimm 1 EL auf ¼ Liter heißes Wasser und lasse den Tee 7–10 Minuten ziehen. Anschließend kalt werden lassen.

Anwendung

Äußerlich nimmt man ihn für Umschläge bei Hauterkrankungen, kleinen Wunden und Prellungen.

Die Kleine Braunelle ist eine berühmte Heilpflanze in China und Amerika

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hat die Braunelle im Gegensatz zu Europa einen wichtigen Platz eingenommen – allerdings bei ganz anderen Anwendungsgebieten als in der traditionellen Medizin Europas. Das Heilmittel Xia Ku Cao besteht aus den getrockneten Blütenköpfchen der Braunelle. Es wurde in der chinesischen Heilkunde schon vor 2000 Jahren erwähnt und soll sogar schon viel früher von dem legendären Kaiser Shen-Nong entdeckt worden sein, der angeblich etwa 2800 v. Chr. gelebt hat. Die Hauptanwendung der Braunelle ist im chinesischen Heilsystem die gestörte Leberfunktion. Vom Funktionskreis Leber ausgehend nutzt man die Braunelle zur Behandlung von Fieber, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Hepatitis, Augenentzündungen, Magen-Darm-Entzündungen, Drüsenschwellungen und Bluthochdruck.

Auch in der Volksmedizin Nordamerikas ist die Braunelle nicht unbekannt. Verschiedene indigene Volksstämme nutzten die Heilpflanze: Die kanadischen Algoquin tranken einen Tee aus der Heilpflanze bei Fieber und zur Herzstärkung. Die Irokesen verwendeten die Braunelle bei einer großen Anzahl von Erkrankungen wie Erkältungen, Husten, Magenbeschwerden, Durchfall und Menstruationsbeschwerden. Die Cree benutzten sie, um Halsschmerzen zu beruhigen, die Cherokee bei Verbrennungen. Die Blackfoot legten sie gekocht bei Hauterkrankungen auf. Die Liste ließe sich fortsetzen, sodass self-heal und all-heal, wie die Braunelle in Nordamerika genannt wird, ihrem Namen alle Ehre macht.

Neue Studien zur Kleinen Braunelle lassen aufhorchen

Zahlreiche Studien aus Südkorea und China belegen die Wirkungen der Pflanze [1] [2]. Die Braunelle wirkt ihnen zufolge antimikrobiell, antidiabetisch, antioxidativ, leberschützend, blutdrucksenkend, fiebersenkend, harntreibend und entzündungshemmend. In Südkorea untersuchte man die Verwendung eines Braunellenextraktes bei Hyperaktivität (ADHS). Außerdem entdeckte man eine positive Wirkung auf die Elastizität der Blutgefäße und auf den Cholesterinspiegel, was Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen entgegenwirken könnte. Ein weiteres neues Einsatzfeld der Braunelle könnte die Behandlung von Herpes-simplex-Viren zu sein. Studienergebnisse kanadischer und chinesischer Wissenschaftler dokumentieren eine gute Wirkung gegen die schmerzhaften Bläschen an den Lippen, wobei man Polysaccharide und Rosmarinsäure als Hauptwirkstoffe vermutet. Wegen der außergewöhnlichen antibakteriellen, antiviralen, antimutagenen und der – ausschließlich in präklinischen Studien nachgewiesenen – tumorhemmenden Wirkung wird inzwischen auch über die Möglichkeiten einer Nutzung bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Tuberkulose, Malaria, Krebs und gegen HIV nachgedacht. Dies muss aber durch zusätzliche Studien noch weiter untersucht und in der Praxis zudem erst erprobt werden.

Alle traditionellen Anwendungen bekommen, egal ob sie aus dem alten Europa, dem fernen Osten oder Amerika stammen, durch die Entschlüsselung der pharmakologischen Inhaltsstoffe einen Sinn: Die adstringierenden und antimikrobiellen Gerbstoffe erklären zum Beispiel die starke wundheilende Wirkung. Die zahlreichen Flavonoide und Phenolsäuren (z.B. Rosmarinsäure) wirken gefäßwandverstärkend, stark entzündungshemmend, antioxidativ sowie krebshemmend. Auch die zahlreichen Triterpene sind nicht nur krebshemmend, sondern auch stark antibakteriell, antiviral und schleimlösend. Die Mischung machts: Die Braunelle besitzt eine geniale Kombination verschiedenster pharmakologischer Wirkstoffe.

Braunellen-Tinktur

Mit folgender Braunellen-Tinktur habe ich gute Erfahrungen.

Zutaten

  • 30 g frische Braunellen (Blütenköpfchen plus darunter sitzendes Blattpaar)
  • 10 g frische Salbeiblätter
  • 10 g frische Lavendelblüten
  • 150 ml Ethanol 70% vol.

Zubereitung/Dosierung/Anwendung

Schneide die Kräuter klein und übergieße sie sofort mit Alkohol. Noch besser ist es, wenn Du die Kräuter portionsweise zusammen mit dem Alkohol in einem Mörser zu einem dickflüssigen Brei verreibst. Diesen Brei bzw. die in Alkohol eingelegten Kräuter in einem verschließbaren Glas ca. 10 Tage ziehen lassen, immer wieder umrühren. Danach abfiltern und in braune Tropfflaschen füllen.
Für die Wundreinigung, die Anwendung auf Wundkompressen und zum Gurgeln gibst Du davon 1–2 TL in 250 ml Wasser oder Kamillentee. Die Tinktur eignet sich auch zum Abtupfen von Lippenbläschen (Herpes).

Hinweis: Die äußerliche Anwendung ist auch für Schwangere möglich.

Und zum Schluss …

Die Kleine Braunelle ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Ihre pharmakologischen Inhaltsstoffe legen nahe, dass es sich bei dieser kleinen Wiesenpflanze um eine mit großem Potenzial handelt!

Literatur

Wang SJ, Wang XH, Dai YY, et al. Prunella vulgaris: A Comprehensive Review of Chemical Constituents, Pharmacological Effects and Clinical Applications. PMID: 30864498. DOI: 10.2174/1381612825666190313121608

Mir PRH, Bhat MF, Sawhney G, et al. Prunella vulgaris L: Critical Pharmacological, Expository Traditional Uses and Extensive Phytochemistry: A Review.PMID: 33538676. DOI: 10.2174/1570163818666210203181542

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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