Papyrus Ebers, Lorscher Arzneibuch, New Kreuterbuch? Bekannt! Hippokrates von Kos, Dioskurides, Walahfrid Strabo? Natürlich auch! Was aber wissen Sie über diese Werke oder ihre Verfasser denn tatsächlich? Kurze und übersichtliche Zusammenfassungen lesen Sie hier. Immer freitags! Denn wir haben da mal was zusammengestellt …
In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts erreichten Reputation und Einfluss der Medizinschule von Salerno ihren Höhepunkt. Man begnügte sich nun nicht mehr ausschließlich mit Übersetzungen aus dem Arabischen, vielmehr entstanden eigenständige Werke, die allerdings vollkommen der Humoralpathologie verpflichtet sind. Zu Standardwerken der Medizin und Pharmazie für das ganz Mittealter und teilweise bis in die Neuzeit hinein wurden vor allem drei große Schriften: die Curae des Johannes Platearius, eine Beschreibung der wichtigsten Krankheiten (Nosologie) und ihrer Therapien; das Circa instans des Matthäus Platearius (Neffe des Johannes), eine Arzneimittellehre zu den einfachen Mitteln (Simplices), sowie das Antidotarium des Nicolaus von Salerno, auch Antidotarium Nicolai genannt, das die komplexen Arzneimittel beschreibt.
Das Circa instans, benannt nach den ersten beiden Worten der Einleitung, beschreibt die einzelnen Drogen in einer geradezu modernen Systematik. Man kann hier wirklich von Drogenmonografien sprechen. Nach dem Namen der pflanzlichen, mineralischen oder tierischen Droge erfolgt immer die Angabe der Primärqualitäten warm, kalt, feucht, trocken mit den Wirkungsgraden (1–4), danach folgt eine kurze Darstellung der Droge: Kraut, Strauch, Baum und des verwendeten Organs (Wurzel, Blatt, Blüte, Frucht, Samen) bzw. des Minerals. Falls vorhanden werden auch verschiedene Arten genannt. Des Weiteren werden die beste Qualität der Droge und etwaige Fälschungen beschrieben und erläutert, wie man diese erkennen kann. Auch die Haltbarkeitsdauer wird angegeben und die sekundären Qualitäten, z.B. mit Umschreibungen wie zusammenziehend, laxierend, harntreibend, blutstillend usw. Erst dann erfolgt die Beschreibung der wichtigsten Indikationen, meist mit konkreten Anwendungsformen.
Aufgrund dieses überzeugenden Inhalts wurde das Circa instans zum ersten Arzneibuch von europäischer Geltung. Das Werk wurde ständig erweitert, beschrieb es in einer frühen Kurzfassung etwa 250 Drogen, enthielt die jüngste Überarbeitung über 500 Drogen.
Die Einleitung des Matthäus Platearius zeigt seine Einstellung:
„Es ist die anstehende [Circa instans] Aufgabe, die einfachen Arzneien darzustellen, mit der mein Vorhaben sich nun beschäftigt. Eine einfache Arznei aber ist eine solche, die von der Natur selbst hervorgebracht wird, wie Gewürznelken, Muskatnuss und derlei Mittel; zweitens eine Arznei, welche, auch wenn sie kunstfertig verwandelt ist, dennoch mit keiner anderen Arznei vermischt wurde; ein Beispiel sind die Tamarinden, kunstfertig gestampft nach Entfernung der Schalen, sowie die Aloe, hergestellt aus dem kunstfertig gekochten Saft der Pflanze. Man stellt aber hier keine müßige Frage, wenn man sich überlegt, warum denn überhaupt zusammengesetzte Arzneien erfunden worden sind, wenn jede Kraft, die in den zusammengesetzten Mitteln steckt, in den einfachen auch zu finden ist.“
Matthäus Platearius: Circa instans
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Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.