Pflanzenheilkunde

Bitterstoffe für eine gute Verdauung: Warum bitter nicht schlecht sein muss!

30. Juni 2023
Löwenzahnwurzeln

Bitter ist die Geschmacksrichtung, die die meisten Menschen als unangenehm empfinden. Die dafür verantwortlichen Bitterstoffe schmecken aber nicht nur bitter. Sie wirken in Mund und Magen und fördern die Verdauung. Ich zeige Dir, wie Du Bitterstofftropfen selbst herstellen kannst und welche Heilpflanzen Du verwendest!

Susanne Koch

Lesezeit: 4 Minuten

Wo sind Bitterstoffe enthalten?

Pflanzliche Bitterstoffe gehören zu einer heterogenen Stoffgruppe, deren einzige Gemeinsamkeit der bittere Geschmack ist. Die Stärke der Bitterstoffe variiert dabei in verschiedenen Pflanzen. Es gibt Pflanzen mit einem Bitterwert von 1:10.000, z. B. Enzian, Wermut, Artischocke oder Teufelskralle, was bedeutet, dass 1 g Droge noch in 10 l Wasser als bitter wahrnehmbar ist. 

Das Gemüse, das uns heute im Handel zur Verfügung steht, wurde leider weitgehend durch Züchtung so verändert, dass es kaum noch Bitterstoffe enthält. Dabei leisten Bitterstoffe einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden Verdauung, das weiß auch der Volksmund und dichtete deshalb den Spruch: „Bitter im Mund, dem Bauch gesund“.

Wie wirken Bitterstoffe?

Das Wirkspektrum von Bitterstoffen auf die Verdauung ist groß:

  • Sie regen die vermehrte Bildung des Speichels in den Speicheldrüsen an, was zu einer verbesserten Vorverdauung der Nahrung bereits im Mund führt.
  • Im Magen bewirken die Bitterstoffe eine vermehrte Magensaftsekretion und eine Mehrdurchblutung der Magenschleimhaut.
  • In der Leber wird mehr Gallenflüssigkeit gebildet, die Ausschüttung der Gallenflüssigkeit aus der Gallenblase gesteigert, was unter anderem der Fettverdauung zugutekommt.
  • Die Peristaltik von Magen und Darm wird angeregt, was zum verbesserten Transport des Magen- und Darminhalts führt.
  • Sie sind zudem blähungstreibend und sollen Heißhunger auf Süßes vermindern.
  • In der TCM schätzt man sie von jeher als erfrischend, anregend, energiespendend und wärmend.
  • Sie gelten allgemein als tonisierend, also den gesamten Organismus stärkend.

Im Gegensatz zu den Zuchtformen unseres Gemüses enthalten viele Heil- und Wildpflanzen immer noch natürliche Bitterstoffe. Du kannst sie als Tee zu Dir nehmen und so Deinem Körper verfügbar machen. Noch einfacher und unkomplizierter ist die Anwendung in Tropfenform.

Heilpflanzen mit Bitterstoffen

Im Handel gibt es mittlerweile einige sogenannte Bittermittel in Form von Bitterstofftropfen zu kaufen. Wenn Du Dir Deine eigenen Bitterstoff-Tropfen herstellen willst, kannst Du damit Einfluss auf das Wirkspektrum nehmen. Denn dafür kommen verschiedene Pflanzen in Frage:

  • Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia): Für die Bitterstofftropfen verwendet man die Wurzel des Löwenzahns. Sie soll, im Frühjahr ausgegraben, einen Bitterwert von 100 haben, oft ist er auch höher. Im Herbst enthält die Löwenzahnwurzel deutlich weniger Bitterstoffe. Sie wirkt appetitanregend, galletreibend, stoffwechselanregend und verdauungsfördernd. Die Kommission E empfiehlt sie unter anderem bei Störungen des Galleflusses und bei Völlegefühl und Blähungen. Tipp: Auch die Blätter des Löwenzahns enthalten Bitterstoffe und schmecken leicht bitter. Du kannst zerkleinerte Löwenzahnblätter beispielsweise direkt in einen Salat geben und so Deine Verdauung leicht anregen.
  • Schafgarbe (Achillea millefolium L.):Für die Bitterstofftropfen verwendet man die Blüten. Die Schafgarbe besitzt einen Bitterwert zwischen 3000 und 5000. Das HMPC empfiehlt sie als traditionelles Mittel bei leichten krampfartigen Beschwerden im Magen- und Darmtrakt. Darüber hinaus wirken Schafgarbenblüten appetitanregend.
  • Artischocke (Cynara cardunculus. L.): Von der Artischocke, insbesondere von der Arznei-Artischocke, verwendet man für die Bitterstofftropfen die Laubblätter der Blüte. Der Bitterwert der Artischocke liegt bei 10.000! Die Artischockenblätter wirken besonders auf die Gallenproduktion und den Gallenfluss, was zu einer Verbesserung der Fettverdauung führt. Zudem regen die Wirkstoffe der Artischockenblätter die Bildung von Verdauungsenzymen in der Bauchspeicheldrüse an und schützen zudem die Leberzellen und fördern deren Regeneration.
  • Echte Kamille (Matricaria recutita L.): Die verwendeten Blüten enthalten zwar keine Bitterstoffe (sie enthält bittere Sesquiterpenlactone). Dennoch ist es sinnvoll, sie den Bitterstofftropfen beizugeben. Kamille wirkt krampflösend, blähungstreibend und keimwidrig. Damit ergänzt sie die Wirkung der bitteren Kräuter.
  • Pfefferminze (Mentha x piperita L.): Die verwendeten Blätter enthalten kaum Bitterstoffe, werden aber von der HMPC bei dyspeptischen Verdauungsbeschwerden und Blähungen zur inneren Anwendung empfohlen. Sie beschleunigen die Entleerung des Magens und werden außerdem in der Erfahrungsmedizin gegen Übelkeit eingesetzt. Mit diesen Wirkungen rundet die Pfefferminze Deine Bitterstofftropfen optimal ab. Nicht zuletzt verbessert sie deren Geschmack.

Bitterstoff-Tropfen

Zutaten

  • 15 g Löwenzahnwurzel
  • 15 g Schafgarbenblüte
  • 10 g Artischockenblätter
  • 5 g Kamillenblüten
  • 5 g Pfefferminzblätter
  • ca. 250 ml 40%-iger Alkohol (z. B. Wodka oder weißer Rum)

Material

  • Schneidebrett
  • Messer
  • Mörser
  • Küchenwaage mit möglichst feiner Skalierung, möglichst grammgenau
  • Messbecher
  • Ansatzglas mit Glasdeckel (Einmachglas oder Apothekerflasche)
  • Teefiltertüten oder ein Sieb (fein)
  • Dosierflasche mit Tropf- oder Spraykopf
  • 2 Etiketten

Zubereitung

Schneide die Wurzel und die getrockneten Kräuter möglichst klein. Gib sie zusammen mit ein wenig Alkohol in den Mörser und zerreibe sie so fein wie möglich. Gibt die gemörserten Kräuter in das Ansatzglas und füge den Alkohol hinzu. Bei Bedarf etwas mehr Alkohol zugeben, die Kräuter müssen vollständig vom Alkohol bedeckt sein und etwas „schwimmen“ können. Ein Etikett mit dem Ansatzdatum auf das Gefäß kleben. 7-10 Tage hell, aber nicht sonnig stehen lassen. Das Glas täglich ein wenig bewegen, sodass die Wirkstoffe gut in der Lösung verteilt werden.

Wenn die Auszugszeit beendet ist, die Mischung durch eine Teefiltertüte in ein Glas gießen. Die Filtertüte gut ausrücken. Jetzt die fertige Tinktur in die Dosierflasche füllen und diese etikettieren (Name der Tinktur und Herstellungsdatum). Kühl und dunkel gelagert sind die Bittertstofftropfen 1 Jahr haltbar. 

Anwendung

Bei akuten Verdauungsbeschwerden nimmst Du 10-15 Tropfen etwa 30 Minuten vor einer Mahlzeit ein. Wenn diese Dosierung nicht ausreicht, kannst Du auf 20-25 Tropfen erhöhen: Die Wirkung von Bitterstoffen ist individuell sehr unterschiedlich, darum muss jeder für sich ein ausprobieren, welche Dosierung benötigt wird. Auch vor einem üppigen Festessen kannst Du die Verdauung mit 15 Tropfen Deiner Tinktur unterstützen.

Tipp: Wodka oder weißer Rum eignet sich besonders gut für eine Tinktur, weil sie geschmacksneutral sind. Für den Auszug der Kräuter empfehle ich die Verwendung von Gläsern mit Twist-Off Deckeln, deren Dichtungen kein PVC und keine Weichmacher enthalten. Sie sind gut am blauen Rand an der Innenseite zu erkennen. Auch wenn im Glas zuvor ein alkoholhaltiger Inhalt war, ist dieses Glas gut geeignet. Gläser mit anderen Deckeln verwende ich nicht, da der Alkohol aus diesen unter Umständen krebserregende Weichmacher lösen könnte.

Hinweis: Die Bitterstoff-Tropfen dürfen bei Verdauungsbeschwerden nicht ohne vorherige Rücksprache mit einem Arzt oder Heilpraktiker und Diagnostik zum Ausschluss behandlungsbedürftiger Erkrankungen eingenommen werden. Personen mit Magenübersäuerung, Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren sowie Gallensteinen dürfen beispielsweise keine Bitterstofftropfen anwenden. Die durch die Bitterstoffe verstärkte Produktion der Verdauungssäfte verschlimmert Beschwerden und Krankheitsbild. Ebenso müssen vor Einnahme eventuelle Wechselwirkungen mit Medikamenten oder andere Gegenanzeigen bezogen auf die Bitterstofftropfen ausgeschlossen werden.

Personen mit bekannter Korbblütler-Allergie dürfen Bitterstofftropfen mit diesen Pflanzen ebenfalls nicht verwenden, da mehrere Korbblütler dafür verwendet werden.

Literatur

[1] Stern C, Ell-Beiser H: Phytotherapie in Theorie und Praxis. München: AT-Verlag; 2022

[2] Beiser R, Ell-Beiser H: Heilpflanzen-Tinkturen: Stuttgart: Ulmer Verlag;  2017

[3] Stumpf U: Von Magie bis Phytotherapie: Wien (A): medmedia; 2010

[4] Bäumle, S: Heilpflanzenpraxis Heute. München: Urban & Fischer; 2007

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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