Pflanzenheilkunde

Der Rainkohl – ein Unkraut zum Genießen

14. April 2023
Rainkohl

Der Gewöhnliche Rainkohl zählt zu den häufigsten Ackerunkräutern und ist seit der Jungsteinzeit ein Kulturbegleiter. Rainkohl findest Du v.a. auf offengehaltenen nährstoffreichen Flächen, wie Äckern, Gärten und Brachland. In der Ernährung unserer Vorfahren spielte er eine wichtige Rolle, was leider in Vergessenheit geraten ist.

Rudi Beiser

Lesezeit: 3 Minuten

Unkraut und Arme-Leute-Essen

Der Gewöhnliche Rainkohl (Lapsana communis) war schon in der Jungsteinzeit eines der häufigsten Unkräuter auf den landwirtschaftlichen Flächen. Verkohlte Rainkohlreste in neolithischen Siedlungen belegen, dass er damals häufig gegessen wurde. Auch aus der Zeit der Römer gibt es Hinweise für seine Nutzung als Nahrungspflanze.

Im alten Rom gab es den Ausspruch „Lapsana vivere“, was so viel heißt wie „von Rainkohl leben“.

Allerdings hatte das Sprichwort eine negative Bedeutung. Denn es wurde für die auf dem Land lebende Unterschicht (plebs rustica) verwendet, die nicht viel zu essen hatte. Der Rainkohl scheint also eine Speise der Armen oder eine Notnahrung in Hungerszeiten gewesen zu sein. Auch der deutsche Name Kohl ist ein Hinweis auf den gemüseähnlichen Gebrauch. Die alte Nutzung als Gemüse ist jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten. Der gelbe Korbblütler wird von den meisten Menschen nur als lästiges Unkraut angesehen und ausgerupft. Dabei lohnt es sich, das schmackhafte Wildgemüse in die Küche zu holen.

Rainkohl
Die Blätter des Rainkohls sind reich an Mineralien und Vitaminen. Quelle: Rudi Beiser, Friesenheim

Angenehmes Wildgemüse

Der einjährige Rainkohl zählt zu den Winteranuellen. Das heißt, die Samen keimen im Herbst, überwintern als Blattrosette und blühen im darauffolgenden Sommer, um dann abzusterben. Als Wildgemüse erntet man nur die jungen Blätter der bodenständigen Rosette, bevor sich der Blütenspross entwickelt. Sie sind reich an Mineralien und Vitaminen. Am besten geeignet sind die jungen Blätter zwischen Anfang Februar bis Ende April. Die zarten Rosettenblätter schmecken salatartig mit einer angenehmen Bitternote, vergleichbar mit Chicorée. Die jungen Blätter sind nicht nur eine wunderbare Salatzutat. Sie eignen sich auch bestens als Gemüse, in Suppen, zusammen mit Eierspeisen oder als spinatähnliche Füllung in Teigtaschen oder als Belag für eine Quiche. Wenn Du die feine Bitterkeit nicht so sehr magst, kannst Du die Blätter vor Gebrauch 10 Minuten in lauwarmes Wasser legen.

Hinweis: Für die kulinarische Nutzung sind nur die jungen Frühlingsblätter geeignet, denn das Bittere und Herbe der Blätter nimmt immer mehr zu, je näher die Blüte rückt. Vor allem die Stängelblätter sind nicht mehr genießbar und auch von der Blattstruktur zäh und faserig.

Die ab Juni erscheinenden Blütenknospen sind dann wieder für den Verzehr geeignet, beispielsweise indem man sie in Butter dünstet. Auch die gelben Zungenblüten des Korbblütlers eignen sich als essbare Dekoration. Du kannst sie abzupfen und einfach über Salate und Desserts streuen. Die Zungenblüten solltest Du vormittags zwischen 6 und 12 Uhr ernten, denn nachmittags schließen sich die kleinen Blüten bis zum nächsten Morgen. [1][2]

Rainkohl
Ab Juni erscheinen die Blütenknospen des Rainkohls. Quelle: Rudi Beiser, Friesenheim

Als Heilpflanze selten eingesetzt

In den Arzneibüchern und wissenschaftlichen Monografien wirst Du den Rainkohl vergeblich suchen. Selbst in der Volksmedizin unserer Vorfahren spielte er keine große Rolle. Sowohl in der Antike als auch im Mittelalter findet man nur sehr wenige Überlieferungen. Zumindest nutzte man damals den Rainkohl, indem man seine zerquetschten Blätter äußerlich auf entzündete Hautpartien und Geschwüre legte. Es wurde ihm damals eine besondere Wirkung bei entzündeten Brustwaren während der Stillzeit nachgesagt, worauf sich auch der englische Pflanzenname „nipplewort“ bezieht. Diese Anwendung wird schon von dem Nürnberger Arzt Joachim Camerarius (1534–1598) erwähnt. Dazu wurden die Blätter in Schmalz zu einer Salbe ausgekocht. Auch rissige Hände, Verbrennungen und kleine Wunden behandelte man in der Volksmedizin mit der Rainkohlsalbe. In der Volksmedizin nutzte man die leicht harntreibende Pflanze auch für die Durchspülungstherapie bei Harnwegsinfektionen. Innerlich fand Rainkohl Einsatz bei Verstopfung, denn er sollte der Volksmedizin nach mild abführend wirken. Darauf weist auch der aus dem altgriechischen stammende Gattungsname Lapsana hin, was so viel wie „entleeren“ bedeutet. Doch keine Angst, der Genuss als Wildgemüse hat keine entsprechende (Neben-)Wirkung!

Die bisher in seinen Blättern entdeckten Sekundären Pflanzenstoffe, wie zum Beispiel Flavonoide, Chlorogensäure, Chicoriensäure und Kaffeesäurederivate, könnten eine antioxidative Wirkung (Radikalfänger!) sowie immunsystemstärkende Effekte haben. Außerdem findet man im Rainkohl reichlich Sesquiterpen-Bitterstoffe, die den Appetit anregen, den Gallenfluss fördern und unseren Organismus kräftigen können. [3][4]

Rainkohl-Frühlings-Salat

Zutaten

  • 2 EL Olivenöl
  • 1 EL Kürbiskernöl
  • 3 EL Balsamico-Essig
  • 2 TL Senf
  • 2 TL Sojasoße
  • 1EL Mandelmus
  • Salz und Pfeffer
  • 100 g junge Rainkohlblätter
  • 1 Kopfsalat
  • 1 Bund Radieschen
  • 3 EL Kürbiskerne

Zubereitung

Aus Öl, Essig, Senf, Mandelmus und Sojasoße eine Salatsoße rühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Rainkohlblätter in Streifen schneiden und zusammen mit dem zerkleinerten Kopfsalat und den in Scheiben geschnittenen Radieschen unter die Soße mischen. Kürbiskerne ohne Fett anrösten. Über den Salat streuen und servieren.

Achtung! Bei bestehenden Allergien gegen Korbblütler bitte auf die Einnahme des Rainkohls verzichten. Für Menschen mit Nussallergie sind Mandeln nicht verträglich. Sie sollten in diesem Fall (daher) den Salat nicht verzehren.

Und zum Schluss….

Der Rainkohl ist hauptsächlich als „Unkraut“ bekannt. Dabei kann er uns durchaus kulinarisch bereichern. Unsere Vorfahren nutzten den gelben Korbblütler als Gemüse. Wenn Du Dich mit essbaren Wildpflanzen auskennst, kannst Du das schmackhafte Wildgemüse in deinen Speiseplan integrieren.

Literatur

[1] Beiser R. Wildkräuter. Stuttgart: Trias; 2017

[2] Beiser R. Unsere essbaren Wildpflanzen. Stuttgart: Kosmos; 2022

[3] Fontanel D, Debouzy JC. Sesquiterpene lactone glycosides from Lapsana communis L. subsp. Communis. Phytochemistry 1999; 51:999-1004. DOI: 10.1016/s0031-9422(98)00718-3

[4] Fontanel D, Galtier C, Viel C et al. Caffeoyl quinic and tartaric acids and flavonoids from Lapsana communis L. subspecies communis (Asteraceae). Zeitschrift für Naturforschung C. 2014; 53: 1090-1092. DOI: 1090-1092. 10.1515/znc-1998-11-1224

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

Teilen

Das könnte Dir auch gefallen