Hell und licht, schlank und biegsam mit zahllosen feinen Ästchen und der unverwechselbaren weißen Rinde mit den dunklen Flecken – die Birke ist für uns Menschen leicht erkennbar. Doch die wenigsten Menschen haben eine Ahnung, wie viel Geschichte und auch Wirkung in der Birke stecken.
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Wie unsere Vorfahren die Birke nutzten
Die Birke gehört zu den leicht bestimmbaren, überall wachsenden Bäumen. Schon unsere Vorfahren nutzten sie auf vielerlei Weise im Alltag und zur Behandlung von Beschwerden. Die deutsche Bezeichnung „Birke“ wurzelt im indogermanischen bharg und dem gotischen bairths, was so viel wie „Glänzen“ oder „hell sein“ bedeutet. Der wissenschaftliche Name „Betula“ kommt aus dem Keltischen und geht auf die Silbe betu oder beth zurück. „Sohn der Birke“ soll deshalb Shakespeares MacBeth bedeuten. Bekannt sind vor allem die Hängebirke (Betula pendula) und die Moorbirke (Betula pubescens).
Die Birke in der Steinzeit
Der vielleicht älteste Kaugummi der Welt ist ca. 9000 Jahre alt – ein Stück Birkenharz, in dem der Zahnabdruck eines Steinzeitmenschen verewigt ist. Ein anderer, bekannter Steinzeitmensch, mit Namen Ötzi überquerte vor rund 4000 Jahren die Alpen. Er hatte damals in seinem Gepäck einen Becher, der aus Birkenrinde hergestellt war. Seine Zeitgenossen schliefen auf Matten aus Birkenrinde, wärmten und kleideten sich mit Fellen. Die Felle waren mit Birkenteer oder -pech – einem Destillat der Rinde – gegerbt. Die Menschen damals trugen Schuhe aus Birkenrinde. Selbst Kochgeschirr wurde aus Birkenrinde hergestellt, die Nähte mit Birkenpech abgedichtet und der Inhalt erhitzt, indem man einen glühend heißen Stein hineinlegte. Durch den reichlich enthaltenen Birkenteer brennt Birke auch in feuchtem Zustand und fast bei jedem Wetter. Deshalb nutzte man getrocknete Birkenrinde, dicht zusammengerollt, als Fackel. [1]
Die Birke in der Mythologie
Bei den Kelten soll die Birke die Göttin des Frühlings, symbolisiert haben. Die Frühlingsgöttin Brigit galt als die Lichtgebärende. Sie sollte die Tage wieder länger und lichtvoller werden lassen. [1]
In der germanischen und slawischen Mythologie verband man die Birke in mehrfacher Hinsicht mit den Hexen: In der Walpurgisnacht zum 1. Mai soll die Heilige Walburga über Hexen und Dämonen regiert haben. Diese sollen alle auf Besen aus Birkenreisig um den Blocksberg geflogen sein. Andererseits vertrieb man in dieser Nacht auch die Hexen mit Birkenzweigen: Denn der Sage nach sollen Hexen ein Faible fürs Zählen haben. Sie konnten nicht am Birkenreisig vorbeigehen, ohne der Zählsucht zu verfallen und all die feinen Birkenblätter zählen zu wollen. Damit waren sie bis zum Morgengrauen beschäftigt, und der Zauber war vorbei.
Druiden machten die Birke „Beth“ zum ersten Buchstaben ihres Baumalphabetes und zum ersten Monat des Baumkalenders. Ihre Schüler weihten sie mit Birkenreisig und Tau. [2]
Bis heute ist das Kauen des Inneren der Birkenrinde, des Kambium, in Situationen der Lebensmittelknappheit oder bei langen, strapaziösen Märschen eine Möglichkeit, um Hunger und Durst wenigstens ein wenig zu lindern. Das Kambium transportiert die Nährstoffe aus der Wurzel zur Baumkrone und enthält Kohlenhydrate und den sogenannten Birkenzucker.
Durchspülende Wirkung von Birkensaft
Im Frühling pumpen die Wurzeln täglich bis zu 50 l Wasser in die Baumkrone. Dieses Birkenwasser, auch Birkensaft genannt, ist ein traditionelles Heilmittel slawischer und osteuropäischer Völker. Birkensaft soll in der Volksmedizin innerlich angewendet stärkend und blutreinigend wirken und soll auch bei Rheuma, Gicht, Nierenleiden hilfreich sein. [3, 4]. Da die Flüssigkeit der Nährstoffversorgung des Baumes dient, ist sie reich an Inhaltsstoffen wie Vitamin C, Eisen, Kalium, Kalzium, Magnesium, Proteinen und bis zu 2% Zuckerverbindungen und anderen. [5]
Besonders im slavischen Raum verwendet man Birkensaft als volksheilkundliches Arzneimittel zur Anregung der Nierentätigkeit. Offizielle Monografien der Kommission E, der ESCOP, der WHO oder der HPMC liegen keine vor. Als Frühjahrskur trinkt man 4 Wochen lang täglich morgens und mittags ein Schnapsgläschen (20–30 ml) Birkensaft.
Hinweis: Dazu sollst Du 2 l Wasser am Tag trinken, um die ausschwemmende Wirkung zu unterstützen. Abends würde ich auf Birkensaft verzichten, um nicht nachts zur Toilette zu müssen. Wie bei allen entwässernden Kuren sollten Menschen mit Herz- oder Nierenerkrankungen vorher ihren Arzt oder Heilpraktiker zu Rate ziehen. Auch bei entzündlichen Darmerkrankungen ist Vorsicht geboten, aufgrund der enthaltenen Saponine.
Zur Gewinnung von Birkenwasser wird ein kleines Loch in den Stamm gebohrt und der Saft durch ein dünnes Rohr in Glasflaschen aufgefangen. Nur wer einen eigenen Birkenbaum hat, darf dies selbst tun. Ansonsten ist das Anzapfen von Birken bei uns verboten. Auch am eigenen Baum musst Du dich vorher über die genaue Vorgehensweise erkundigen, um dem Baum nicht zu schaden. Besonders wichtig ist es, die Wunde nach dem Zapfen fachgerecht zu verschließen, um ein Ausbluten des Baumes zu verhindern.
Literatur
[1] Stumpf U. Pflanzengöttingen und ihre Heilkräuter. Stuttgart: Kosmos; 2017
[3] Fischer-Rizzi S. Blätter von Bäumen. Baden und München: AT-Verlag; 2007
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Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.