Pflanzenheilkunde

Grüne Magie: Kennst Du die Harry Potter Pflanzen?

12. August 2022
getrockneter Thymian in einer Schaufel und frische Zweige auf einem Holztisch

Wer zaubern kann, ist klar im Vorteil. In Harry Potters Welt lassen sich viele Verletzungen und Krankheiten meist schnell durch Zaubersprüche wie „Episkey!“ heilen – oder durch Zaubertränke. Für deren Zubereitung benötigen die Schulkinder von Hogwarts viele Heilpflanzen. Einige davon kennst Du wahrscheinlich auch.

Sebastian Vigl

Lesezeit: 3,5 Minuten

Magische Gewächse und bekannte Harry-Potter-Pflanzen

Kräuterkunde (im Original: Herbology) ist eines der Pflichtfächer, welches alle Schulkinder ab der 1. Klasse in Hogwarts belegen. Meistens treffen sie sich hierfür in den 3 Gewächshäusern hinter dem Schloss. Zur Unterrichtslektüre zählt das Buch „Tausend Zauberkräuter und Pilze“ der Hexe und Botanikerin Phyllida Spore. Ihr Buch ist auch im Fach „Zaubertränke“ eine Hilfe.

Für die Zaubertränke benötigen die Schulkinder manch magisches Gewächs, das nur in Hogwarts wächst. So zum Beispiel die Kaktee Mimbulus Mimbeltonia oder die Pflanze Venemosa Tentacola mit ihren tentakelartigen Blättern. Des Weiteren kommen bei Harry Potter Pflanzen wie die Alraune (Mandragora officinarum) oder Tollkirsche (Atropa belladonna) vor.

Hinweis: Diese sind auch in der wirklichen Welt hochgiftige Pflanzen und dürfen nur in einer homöopathischen Verdünnung verwendet werden. Diese Verdünnung keinesfalls selbst zubereiten, sondern ausschließlich in der Apotheke kaufen!

In den Rezepturen Hogwarts finden wir auch Heilpflanzen, die bei uns gebräuchlich sind. Dazu zählen der Liebstöckel (Levisticum officinale), der Wermut (Artemisia absinthium), der Thymian (Thymus vulgaris), die Raute (Ruta graveolens), der Baldrian (Valeriana officinalis), der Ingwer (Zingiber officinale) und eine Pflanze mit Namen Diptam. Rein theoretisch kommen mit der Bezeichnung Diptam zwei unserer Heilpflanze in Betracht. Wahrscheinlich ist aber eine ganz bestimmte gemeint, die regelmäßig in unseren Wäldern ein kleines Feuerwerk veranstaltet.

Harrys Schlangenbiss? In der Zauberwelt kein Problem mit Diptam

Die Pflanze Diptam („Dittany“ im Original) lernt Harry bereits in seinem 1. Schuljahr kennen. Besonders im 7. Band („Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“) kommt die Pflanze zum Einsatz: Hermine versorgt damit den Schlangenbiss an Harrys Unterarm und Rons blutende Verletzung, die er sich beim Apparieren (Ortswechsel mithilfe von Magie) zuzieht. Harry, Ron und Hermine behandeln damit auch ihre Brandwunden, die ihnen der Schutzzauber in der Zauberer-Bank Gringotts zufügt.

Zwei bekannte Heilpflanzen könnten J. K. Rowling, die Autorin der Potter-Bücher, inspiriert haben: Der Diptam-Dost (Origanum dictamnus) und der Diptam (Dictamnus albus). Wahrscheinlich ist es der letztere: Der Diptam fand im Mittelalter bei Wunden und giftigen Tierbissen Anwendung. Er wächst auch in Mitteleuropa auf trockenen, kalkhaltigen Böden. Seine ätherischen Öle sind hochentzündlich, deswegen heißt er auch Brennender Busch. An warmen Tagen können sich die ätherischen Öle entzünden, an der Pflanze sind dann kleine blaue Flammen sichtbar. In der Volksmedizin sind seine Wurzel und Blätter vor allem bei gynäkologischen und rheumatischen Beschwerden und Erkrankungen in Gebrauch. [1]

Hinweis: Beim Umgang mit dieser Pflanze ist Vorsicht geboten. Ihre Furanocumarine können eine sogenannte phototoxische Wirkung hervorrufen. Das heißt, dass sie – nach Kontakt mit der Pflanze – die Lichtempfindlichkeit der Haut steigern können. Unter Lichteinwirkung sind auf der Haut juckende Rötungen, Schwellungen und auch Brandblasenbildung möglich.

Der Trank der lebenden Toten: ein „sehr starkes“ Schlafmittel

Vielleicht erinnerst Du Dich noch: Professor Snape fragt den Erstklässler Harry bereits in den allerersten Stunde Zaubertränke-Unterricht (in „Harry Potter und der Stein der Weisen“) nach den Zutaten des „Tranks der lebenden Toten“. Harry kann davon noch nicht viel wissen, schließlich ist dessen Zubereitung fortgeschrittenes Zauberwissen.

Wir begegnen diesem Rezept wieder im 6. Band („Harry Potter und der Halbblutprinz“), dort heißt es: der „Sud des lebenden Todes“. Das Gebräu ist ein besonders tückischer Schlaftrunk. Wer davon trinkt, ist nicht mehr zu wecken.

Unter den Zutaten finden wir die bekannten Heilpflanzen Wermut und Baldrian. Baldrian ist in der modernen Pflanzenheilkunde als Schlaf- und Beruhigungsmittel bekannt. Verschiedene klinische Studien zeigen seine Wirkung bei Unruhe, Ängsten oder Schlafstörungen. [2] Der Zaubertrank dürfte dank des Baldrians also tatsächlich schlaffördernd sein. Für seine narkotisierende Wirkung ist aber wahrscheinlich ein anderer Bestandteil verantwortlich: die nur im Buch vorkommende Schlafbohne (im Original: Sopophorous bean). Diese ist eine Erfindung der Autorin J. K. Rowling.

Flüssiges Glück: der Zaubertrank mit Thymiankraut und Raute

Zwei andere uns gut bekannte Heilpflanzen finden wir im Trank mit dem Namen „Felix Felicis“. Wer ihn trinkt, dem soll alles gelingen. Selbstverständlich ist es in Hogwarts verboten, diesen vor Wettkämpfen oder Prüfungen zu sich zu nehmen. Erinnerst Du Dich noch an das Quidditch-Spiel (Band 6 – „Harry Potter und der Halbblutprinz“), das Ron mit fulminantem Einsatz entschied? Ron dachte, Harry hätte ihm „Felix Felicis“ in sein Getränk gemischt. Hat er aber nicht – hier hat der Placebo-Effekt Rons Kräfte geweckt!

In diesen Trank gehören viele magische Zutaten wie Aschwinderin-Eier, Blaustern-Knolle oder Murtlap-Tentakel – daneben aber auch zwei uns gut bekannte Heilpflanzen: Thymian (Thymus vulgaris) und Weinraute (Ruta graveolens). Machen uns diese Harry Potter Pflanzen vielleicht unbesiegbar und glücklich? Das sicher nicht, aber wach und aufmerksam wahrscheinlich schon – zwei Eigenschaften, die beim Erreichen der eigenen Pläne helfen können. Die Raute könnte unsere Konzentration und Gedächtnisleistung fördern. Aktuell untersuchen Studien ihr Potenzial bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Erkrankung. [3]

Hinweis: Zu beachten: Auch bei der Raute sind phototoxische Reaktionen möglich!

Weinraute (Ruta graveolens): Nahaufnahme der Blüten.
Die aromatische Weinraute (Ruta graveolens) könnte anregend auf den Gehirnstoffwechsel wirken.
© Wolfilser/stock.adobe.com

Thymian kann durch seine ätherischen Öle belebend wirken. Diese könnten unter anderem die Durchblutung und damit den Stoffwechsel der Schilddrüse fördern. Ergebnisse aus der Grundlagenforschung lassen vermuten, dass Thymian antidepressiv wirkt und Nervenzellen vor Schädigung schützen kann. [4] Thymiantee gilt deshalb als Wecker der Lebensgeister. Unsere Vorfahren sahen im Thymian einen Mutmacher: Römische Soldaten und mittelalterliche Ritter und sollen ihn deshalb vor Schlachten als Badezusatz genutzt haben.

Rezept Thymiantee

Bis zu 3-mal täglich 1 TL getrocknetes Thymiankraut (Thymi herba) mit 250 ml siedendem Wasser zugedeckt 15 Minuten ziehen lassen und ungesüßt vor den Mahlzeiten trinken.

Hinweis: Thymian wird gut vertragen. Wechselwirkungen oder Gegenanzeigen sind bis heute nicht bekannt. Aufgrund meiner Praxiserfahrung rate ich jedoch Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion von der Einnahme des Thymiantees ab. Die ätherischen Öle des Thymians könnten die Durchblutung und damit die Funktion der Schilddrüse fördern.

Fazit

Gute Nachrichten für Harry-Potter-Fans: Es gibt eine Verbindung zwischen der magischen Welt von Hogwarts und der unseren! Harry Potter Pflanzen wie Thymian, Baldrian oder Weinraute tun nicht nur im Zauberschloss ihre Dienste, sondern auch bei uns. Sie können uns helfen, wach zu sein oder zur Ruhe zu kommen. Die moderne Wissenschaft konnte zudem einige ihrer Wirkmechanismen entschlüsseln.

Vielleicht steckt in ihnen auch ein wenig Magie?

Literatur

[1] Martínez-Francés V, Rivera D, Heinrich M, Obón C, Ríos S. An ethnopharmacological and historical analysis of „Dictamnus“, a European traditional herbal medicine. J Ethnopharmacol. 2015 Dec 4; 175: 390-406

[2] Shinjyo N, Waddell G, Green J. Valerian Root in Treating Sleep Problems and Associated Disorders-A Systematic Review and Meta-Analysis. J Evid Based Integr Med. 2020 Jan-Dec; 25

[3] Colucci-D’Amato L, Cimaglia G. Ruta graveolens as a potential source of neuroactive compounds to promote and restore neural functions. J Tradit Complement Med. 2020 Jun 4; 10(3): 309-314

[4] Adefegha SA, Oyeleye SI, Akintemi A et al. Thyme (Thymus vulgaris) leaf extract modulates purinergic and cholinergic enzyme activities in the brain homogenate of 5-fluorouracil administered rats. Drug Chem Toxicol. 2020 Jan; 43(1):43-50

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

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