In der Weihnachtszeit ist Vanille wieder in aller Munde – und Nase. Doch auch während des restlichen Jahres gehört dieses exotische Gewürz seit langem zu einem der weltweit am meisten genutzten Geruchs- und Geschmacksstoffe. Warum das auch gut so ist, liest Du im folgenden Beitrag.
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Vanille (Vanilla planifolia) wurde schon vor über 4000 Jahren im Gebiet des heutigen Mexikos angebaut. Im Reich der Azteken war Vanille unter dem Namen Tlilxochitl bekannt, was dunkle/schwarze Blume bedeutet. Sie war neben Kakao und Chili eines der zentralen Ingredienzien des legendären aztekischen Getränks Xocolatl, das mit Wasser aufgekocht als Vorläufer des heutigen Trinkkakaos gilt.
Vanille wurde damals auch schon zu medizinischen Zwecken sowie zur Aromatisierung von Speisen verwendet. Zunächst wurde es jedoch für sakrale Zwecke verwendet. Der Aztekenherrscher Montezuma ließ Vanille 1520 dem Konquistadoren Cortez in goldenen Bechern servieren. Dieser brachte sie daraufhin als vielbeachtete Kostbarkeit mit nach Europa. Vanille gehört nach Safran zu den kostbarsten Gewürzen, die aus fernen Gestaden ihren Weg in die europäische Küche gefunden haben [1, 2].
Vanille – ein rankes, rares Pflänzchen
Vanille ist eine Orchideenpflanze (Orchidaceae), die ursprünglich aus Mexiko stammt und deren 140 Arten überwiegend in Mittel- und Südamerika und der Karibik verbreitet sind. Bis ins 19. Jahrhundert konnte Vanille ausschließlich in Mexiko angebaut werden, da nur dort eine natürliche Bestäubung durch Kolibris oder langrüsselige Insekten stattfinden konnte. Auf Grund der Entwicklung künstlicher Bestäubung gelang es schließlich, sie auch in anderen Gebieten zu kultivieren. Die verwendeten Vanilleschoten werden grün geerntet und erhalten durch verschiedene aufwändige Fermentationsverfahren ihre dunkle Farbe und den charakteristischen Geruch [3].
Heute macht die Bourbon-Vanille der ehemaligen französischen Kolonien Madagaskar und Reunion mit über 80% den Löwenanteil der hochwertigen industriell verwendeten Vanille aus. Der Inhaltsstoff Vanillin wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Vanille-Pflanze isoliert und ist mittlerweile stärker verbreitet als die Ursprungspflanze. Ebenso verhält es sich mit der etwas später entwickelten, kostengünstigsten Synthese des „naturidentischen“ Vanillins aus Eugenol, Guajacol und heute vor allem Lignin – einem Nebenprodukt industrieller Holzherstellung. Inzwischen machen synthetisches Vanillin sowie Mischungen der „Echten Vanille“ bzw. „Gewürz-Vanille“ (Vanilla planifolia) mit als minderwertig angesehenen Sorten wie Tahiti-Vanille einen Großteil des Handels aus [1]. Im Zusammenhang mit klimatischen Faktoren, der steigenden weltweiten Nachfrage und der genetischen Verarmung ist die Zukunft der Echten Vanille fragwürdig, man spricht man seit einigen Jahren von einer regelrechten Vanille-Krise. Denn trotz allem macht die Echte Vanille immer noch die bedeutendste Quelle für hochwertige Vanilleprodukte aus [2].
Was ist drin in der Vanille?
In den Schoten 1,5-3% Vanillin – nach der Fermentation teilweise über 3-5% -, das zusammen mit Stoffen wie Vanillylalkohol und Zimtsäureestern verantwortlich für den typischen Vanillegeruch ist. Ferner diverse Zucker, Enzyme, organische Säuren, fettes Öl, Gerbstoffe, Harze, Schleimstoffe und weitere Komponenten des ätherischen Öles.
Verwendungen der Vanille – damals und heute
Spätestens seit dem 17. Jahrhundert ist Vanille auch in der westlichen Welt weit verbreitet. Ursprünglich wurde sie als Aphrodisiakum verwendet, doch das ist heutzutage kaum mehr bekannt. Doch der Name Vanille deutet noch darauf hin: Das spanische Wort für Vanille lautet vainilla und ist abgeleitet vom spanischen Wort vaina, was Hülse oder Schote, aber auch Scheide bedeutet.
Der breite Einsatz der Vanille in Nahrungsmitteln, Süßigkeiten oder auch als Aromastoff in Kosmetika gründet sich jedenfalls in der überwiegend als positiv wahrgenommenen Wirkung auf die Psyche. Die historischen Indikationen in der reichen europäischen Medizin aus den letzten Jahrhunderten reichen von Hysterie, Depressionen, Melancholie, über Fieber und Rheuma bis hin zur Verwendung als kräftigendes Tonikum und Aphrodisiakum [1].
Welche Wirkungen und Indikationen sind heute bekannt?
Hinweise für mögliche therapeutische Anwendungsgebiete der Vanille gibt es in zahlreichen Studien der letzten 20 Jahre. In Tierversuchen wurde festgestellt, dass der Geruch von Vanille appetitanregend wirkt. Daher wird in der Vanille Potenzial im Einsatz bei unterernährten Kindern, in Altersheimen oder der häuslichen Pflege durch aromatisierte Lebensmittel oder Vanille-Gerüche gesehen [4]. Zudem beinhaltet die Vanille mit Piperonal einen Inhaltsstoff, der in vivo erfolgreich gegen Adipositas (krankhaftes Übergewicht) eingesetzt werden könnte [5].
Generell zählt der Geruch der Vanille zu den Gerüchen, die von den meisten Menschen als angenehm wahrgenommen werden. In einer Anwendungsstudie belegten die meisten Probanden Vanillegeruch, im Vergleich zu anderen Gerüchen anderer Aromen, vor allem mit positiven Assoziationen wie Freude oder Überraschung. Mit negativen Emotionen wie Wut, Trauer, Angst oder Ekel wurde Vanillegeruch am seltensten in Verbindung gebracht [6]. Eine weitere Studie verglich die subjektiv wahrgenommenen Stimmungsveränderungen der Probanden mit den unbewussten Körperreaktionen wie Hautwiderstand und -durchblutung oder Veränderung des Herzschlages. Auch hier war die Vanille führend in Bezug auf die harmonisierende Reaktion des Körpers hin zu Beruhigung und Entspannung [7].
Die möglicherweise antidepressive Wirkung zeigte sich in mehreren Versuchen mit Ratten: Die mit Vanillegeruch unterstützen Versuchstiere verloren in Stressphasen weniger Körpergewicht, zeigten mehr Bewegungsfreude und fraßen mehr. Außerdem war bei ihnen das Stresshormon Kortisol reduziert und die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin deutlich erhöht [8]. In einer weiteren Studie zeigten sich auch eine möglicherweise anxiolytische (angstlösende) Effekte durch Vanille: Die Versuchstiere, die Vanillegeruch erhielten, zeigten weniger Scheu beim Bewegungsverhalten in Labyrinthen und waren weniger empfindlich bei starken Licht-Dunkel-Kontrasten. Die angstlösende Wirkung wurde mit Diazepam verglichen [9].
Aktuelle Studien haben den möglicherweise heilsamen Einfluss von Vanillin auf das Nervensystem auch bei Erkrankungen der Nerven und des Gehirns untersucht: Bei der Alzheimer-Krankheit etwa wird durch Vanillin das Enzym Acetylcholinesterase gehemmt, was einen zentralen therapeutischen Ansatzpunkt bei klassischen Medikamenten darstellt. Außerdem könnten Nerven- und Zellschäden durch Vanillin reduziert und die räumliche Orientierung verbessert werden. Bei Parkinson könnte Vanillin bewirken, dass durch die Reduktion von Sauerstoffradikalen wichtige Zellfunktionen länger erhalten bleiben, die typischen Bewegungseinschränkungen könnten dosisabhängig abgeschwächt sowie die Dopamin-Konzentration verbessert werden. Bei Chorea Huntington könnte Vanillin dazu beitragen, den Gewichtsverlust und Bewegungsbeeinträchtigungen zu reduzieren, während die motorische Koordination und das Lerngedächtnis verbessert werden könnten. Zudem machen die möglicherweise entzündungshemmenden, antioxidativen, nerven- und zellschützenden Eigenschaften von Vanillin Hoffnung in der Behandlung von Wirbelsäulenschäden, Hirnschäden durch Sauerstoffmangel (etwa während der Geburt) oder auch toxische Hirnschäden und Nervenentzündungen [10].
Hinweis: Die vorgestellten Studienergebnisse dienen nicht als Anleitung zur Selbstbehandlung mit einer Zubereitung aus der Vanille. Sie sind hier beispielhaft genannt, um das mögliche Potenzial der Pflanze aufzuzeigen. Weitere Studien sind notwendig.
Wie verwendet man die Vanille?
Bisher ist die Vanille von keiner der maßgeblichen phytotherapeutischen Kommissionen (Kommission E, ESCOP, HMPC) mit einer Monografie über die therapeutischen Wirkungen bedacht worden.
Im praktischen Gebrauch ist die Vanille heute nicht als Arzneistoff, sondern als Aromastoff und Gewürz in Verwendung. Beispielsweise wird Vanille für die Aromatisierung von Eis, Puddings, Joghurts, Desserts und Backwaren (Vanillekipferl in der Weihnachtszeit) verwendet.
Doch Vorsicht als Aromastoff!
Bei Arbeitern, die viel mit Vanille in Kontakt gekommen waren, wurden Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Hautausschläge und Schlaflosigkeit festgestellt [3]. Diese Nebenwirkungen dürften bei einem vernünftigen Konsum von höchstens ein paar Gramm täglich kaum auftreten. Wohl schon wegen des hohen Preises und des intensiven Geschmacks der Vanille dürfte sich ein Verzehr in größeren Mengen von selbst ausschließen.
Tinktur gegen Nervosität und Schlafstörungen
Diese Rezeptur von mir ist eine beruhigende Tinktur, die ich aus Lavendel und Vanille zusammengestellt habe.
Zutaten
20 g Lavendelblüten
20 g Vanille
1 Liter 40%-iger Alkohol
Zubereitung
Lavendel mit 500 ml Alkohol ansetzen, die Vanille mit derselben Menge. Beide Ansätze 4 Wochen ziehen lassen, abseihen. Die Tinktur zu gleichen Teilen mischen.
Anwendung
Bis zu 3-mal täglich 5-10 Tr. einnehmen. Maximal eine Woche anwenden.
Hinweis: Hinter Nervosität und Schlafstörungen können sich ernste Erkrankungen verbergen wie Angststörungen oder Depression. Eine Abklärung durch einen Arzt ist daher vor Anwendung der Tinktur unbedingt notwendig. Die Tinktur ist nur für Erwachsene geeignet. Nicht in der Schwangerschaft anwenden.
Ran an die Vanille – aber nur die Echte!
In der Vanille steck großes Potenzial. Sie kann wahrscheinlich nicht nur die Genussfreude steigern und die Lebensqualität verbessern, sondern auch die Gesundheit positiv beeinflussen. Wer hätte das der allgegenwärtigen Vanille zugetraut, die sich zuweilen fast aufdringlich als Geruch und Geschmack wiederfindet.
Wenn Du jetzt Lust bekommen haben solltest, diese leckere Pflanze in der Küche künftig öfter zu verwenden, denke daran: Es lohnt, sich einen kleinen Vorrat an Echter Vanille zuzulegen !
Literatur
[3] Blaschek W, Ebel S., Hackenthal E, Holzgrabe U, Keller K, Reichling J, Schulz V. Hrsg. Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. Stuttgart: WVG/Springer; 2014: Vanilla
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.